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Zweiter SPD-Fraktion-Thread mit Marion Caspers-Merk (April 2002)
Im Original:
http://www.spdfraktion.de/dialog/forum/read.php?f=14&i=425&t=425
Im lokalen Archiv:
Erster Thread mit Marion Caspers-Merk im Forum von spdfraktion.de
[10.09.2001]
"Wir vertreten also eine Entwicklung hin zu einer Entkriminalisierung des Cannabiskonsums in kleinen Mengen."
Stellungnahmen von Marion Caspers-Merk seit Amtsantritt (die "MCM-Fanpage" ;-)
Beitrag von Marion Caspers-Merk: (kompletter Thread hier)
RE: BVG befasst sich wieder mit dem Cannabisverbot |
Autor: Marion Caspers-Merk (193.17.242.---)
Datum: 11.04.02 14:39
Vor kurzem hat ein unter dem Künstlernamen schreibender Franz Branntwein einen längeren Beitrag in dieses Forum gesetzt, den ich zum Anlass nehme, die derzeitigen Cannabispolitik der Bundesregierung darzustellen. Ich bedauere es sehr, dass Herr Branntwein nicht den Mut findet, sich persönlich zu bekennen. Am Thema Cannabis zeigt sich leider immer wieder, dass von beiden Seiten, den Cannabisbefürwortern wie den Cannabisgegnern, einseitig Halbwahrheiten und Behauptungen in die Welt gesetzt werden um für die "eigene" Sache zu werben.
Ich glaube, dass man beim Thema Cannabis-Rauchen in den 80-er Jahren dramatisiert hat, heute wird im Gegenzug bagatellisiert. Cannabis ist keine harmlose Substanz und besitzt erwiesener Maßen Abhängigkeitspotential. Europaweit ist derzeit ein besorgniserregender Anstieg des Konsumes von Cannabis, insbesondere durch Jugendliche, festzustellen. Wir haben allein in Deutschland 11.000 junge Menschen, die in stationärer oder ambulanter Behandlung wegen Problemen mit Cannabis sind. Cannabis verursacht neben psychischen Abhängigkeitsmustern auch körperliche Abhängigkeitssymptome, wie z.B. Schlaflosigkeit. Bei labilen Persönlichkeiten kann der Konsum zu schweren Psychosen führen. Am eklatantesten sind die gesundheitlichen Folgen. Cannabis wird in der Regel in einer Tabakmischung als Joint geraucht. Der Teergehalt eines Joints ist um ein vielfaches höher als derjenige einer Zigarette. Der Rauch eines Joints enthält zudem nachweislich einen höheren Anteil an karzinogenen Stoffen, der das Lungenkrebsrisiko demzufolge erhöht. Nun wird von Seiten der Kiffer ja gerne spitzfindig argumentiert, dass ein Cannabiskonsument meist weniger Joints als Zigaretten rauche. Dieses Argument läuft jedoch ins Leere, da zum einen die meisten Kiffer auch Rauchen und zum anderen der Rauch eines Joints tiefer inhaliert wird, was zu den oben beschriebenen Gesundheitsschädigungen führt.
Ich bin mir sehr bewusst, dass Zigaretten und Alkohol die Einstiegsdrogen Nummer eins sind und nicht etwa Cannabis. Deshalb brauchen wir eine faire Risikodebatte, in der auch die besonderen Gefahren des unter Jugendlichen immer beliebteren Mischkonsumes von legalen und illegalen Drogen thematisiert werden. Hier bahnt sich derzeit ein gefährliche Entwicklung an, die von vielen Stellen leider immer noch unterschätzt wird. Es mangelt bislang auch noch an Persönlichkeiten, die es wagen, sich dem mainstream entgegenzustellen. Denn machen wir uns nichts vor, Nichtrauchern schlägt doch immer noch das Vorurteil der "Langweiler" entgegen und ich weiß, dass es gerade für Jugendliche schwierig ist, sich diesem Gruppendruck entgegenzustellen.
Es ist allerdings richtig, dass es im Cannabisbereich bundesweit noch Ungleichbehandlungen bei der Strafverfolgung gibt. Dies liegt allerdings nicht an der Politik der Bundesregierung, sondern an dem föderalem System der Bundesrepublik Deutschland. Ich begrüße in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Entscheidung des Generalstaatsanwaltes von Brandenburg, den Grenzwert für die geringe Menge nunmehr auf 6 g festzulegen. Der Bundesgesetzgeber darf nur dann Regelungen treffen, wenn er Erkenntnisse hat, dass die Abweichungen zwischen den einzelnen Bundesländern eklatant im Missverhältnis stehen. Im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 1994 hat das Bundesgesundheitsministerium deshalb eine Studie in Auftrag gegeben, die die Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften bezüglich einer geringen Menge Cannabis untersuchte. Die Autorin dieser Studie, Susanne Aulinger, kam zu dem Ergebnis, dass in der Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften ein so hohes Maß an Übereinstimmung existiere, dass von einer "im wesentlichen einheitlichen Rechtsprechung gesprochen werden könne". Nachdem in letzter Zeit Zweifel daran aufkamen, ob die Ergebnisse dieser Studie aus dem Jahr 1994 noch der aktuellen Praxis entsprechen, wird das Bundesgesundheitsministerium noch in diesem Jahr eine Folgeuntersuchung in Auftrag geben. Darüberhinaus brauchen wir bessere und praktikablere Lösungen für das Thema kiffen und Autofahren.
In meiner Eigenschaft als Drogenbeauftragte muss und werde ich auch weiterhin eine kohärente Präventionsbotschaft senden und nicht die gleichzeitige Botschaft von Bremse und Gaspedal. Ich kann nicht einerseits den Konsum von Tabak und Alkohol, insbesondere für Jugendliche, stärker regulieren, wie dies derzeit geschieht, und gleichzeitig den Konsum von Cannabis legalisieren, was im übrigen auch nach dem internationalen Suchtstoffübereinkommen, das Deutschland unterzeichnet hat, nicht möglich ist. Für die Regulierung der legalen Suchtstoffe hat die Bundesregierung in den vergangenen Jahren vieles erreicht. Zum Beispiel wurde das Gaststättengesetz im vergangenen Jahr geändert, sodass nun jeder Gastwirt verpflichtet ist, mindestens ein alkoholfreies Getränk anzubieten, das billiger ist als das günstigste alkoholhaltige Getränk. Die Arbeitsstättenverordnung wird dahingehend verändert, dass jeder Arbeitnehmer nunmehr ein Anrecht auf einen rauchfreien Arbeitsplatz hat. Ich habe zudem erst im März 2002 eine Vereinbarung mit der Zigarettenindustrie ausgehandelt, in der diese sich verpflichtet, für die nächsten fünf Jahre fast 12 Millionen Euro für Präventionsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig wird an der Änderung des Jugendschutzgesetzes gearbeitet. Durch die Einführung einer Chipkarte wird Jugendlichen unter 16 Jahren der Zugang zu Zigarettenautomaten erschwert werden. Auf europäischer Ebene werden zudem Einschränkungen im Bereich der Tabakwerbung gefordert.
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