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Probleme Belgiens mit den weichen Drogen

Seilziehen der Parteien um eine Legalisierung In Belgien findet derzeit eine für das Land äusserst offen geführte Diskussion zum künftigen Umgang mit weichen Drogen statt. Die von der grünen Gesundheitsministerin Aelvoet gemachten Vorschläge, welche auf
eine Legalisierung abzielen, können allerdings nur auf die Unterstützung der grünen Parteien in Belgien zählen.

vau. Amsterdam, im November

Das Berufungsgericht in Antwerpen hat Anfang Monat erstmals zwei Personen freigesprochen, die vorinstanzlich wegen der Anlage
vonCannabis-Plantagen zu Gefängnisstrafen verurteilt worden waren. Nach Auffassung der Richter in der flämischen Metropole ist die Zucht dieser Pflanze nicht strafbar, während Ernte, Konsum und Handel gemäss belgischer Strafgesetzgebung geahndet werden müssen. Diese Interpretation der aus dem Jahre 1958 stammenden Gesetzgebung hat jüngst auch ein 42-jähriger, in Belgien lebender Niederländer zu spüren bekommen, der wegen des Besitzes von einigen Gramm Marihuana zu zwei Jahren unbedingter Haftstrafe verurteilt wurde.

Ein 50 Jahre altes Gesetz

Das fast 50-jährige Gesetz lässt nicht nur bei der belgischen Justiz unterschiedliche Auffassungen und Urteile zu, es stellt auch die
Ordnungshüter vor grosse Probleme, da zwischen weichen und harten Drogen kaum Unterschiede gemacht werden. Folglich wird die Repression für sämtliche Drogen angewandt. Die Intercity-Züge, dieim Stundentakt von Amsterdam nach Brüssel fahren, werden nach ihrer Ankunft auf belgischemTerritorium regelmässig auf Drogentouristen kontrolliert. In der Regel fassen die Drogenfahnder in Uniform eine Handvoll Jugendlicher, die sich für das Wochenende in einem der Coffee-Shops in den Niederlanden mit weichen Drogen eingedeckt haben.

Heikle Lage

Die niederländischen Lokalbehörden jenseits der Grenze haben ihren belgischen Kollegen wiederholt pragmatische Vorschläge präsentiert, wie beispielsweise den Rat, gleich an der Grenze selbst eine Verkaufsstelle aufzurichten, was freilich den Belgiern nicht gerade als geeigneteLösung erschien und auch bei der Haager Regierung angesichts der internationalen Kritik gegenüber der niederländischen Drogenpolitik alles andere als Begeisterung weckte. Belgiens Problem liegt nicht nur in der Gesetzgebung selbst, sondern ist auch in der geographischen Lage des Landes zu orten: Während die Niederlande eine pragmatische, von Toleranz geprägte Politik für weiche Drogen verfolgen, setzt Frankreich auf eine repressive Handhabung der Drogenproblematik, auch wenn in den
vergangenen drei Jahren angesichts einer Abkehr in Richtung Prävention auch die französischen Gerichte die Prioritäten bei der Ahndung des Konsums kleiner Mengen weicher Drogen angepasst haben.

Belgiens aus Liberalen, Sozialisten und Grünen bestehende Regenbogenkoalition unter dem liberalen Regierungschef Verhofstadt hat
eine Reformangekündigt, die in den vergangenen Tagen auszugsweise durch die belgische Presse publik gemacht wurde und eine lebhafte, offen geführteDebatte provoziert hat. Während die grünen Parteien der beiden Sprachgemeinschaften (Agalev und Ecolo) zusammen mit den frankophonen Sozialisten (PS) den persönlichen Gebrauch von Cannabis bis zu 15 Gramm legalisieren wollen, plädieren die flämischen Liberalen Verhofstadts, die sich Reformen auf ihre Parteifahne geschrieben haben, für die niederländische Variante, wo die Toleranzgrenze bei 5 Gramm liegt.

Keine Chance für die grüne Vorlage

Auch die flämischen Sozialisten (SP) sehen die Lösung eher in dieser Variante, während die oppositionellen Christlichdemokraten (CVP) von einer weicheren Haltung, die gesetzlich niedergeschrieben werden soll, überhaupt nichts wissen wollen. Sie tun dies ungeachtet der Tatsache, dass sich die von Stefaan de Clerck angeführte Partei derzeit einer Metamorphose unterzieht, um mit neuen Inhalten und Strukturen sowie einer ins Auge gefassten Namensänderung wieder an die guten alten Zeiten anknüpfen zu können.

Scharfer Kritik seitens der Liberalen und Christlichdemokraten waren in den vergangenen Tagen auch die Grünen selbst ausgesetzt, nachdem sich der Agalev-Senator Frans Lozie dafür ausgesprochen hatte, nicht bloss den Konsum weicher Drogen, sondern auch gleich harte Drogen wie Kokain und Heroin aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Die unterschiedlichen Standpunkte bei der Ausgestaltung des künftigen Umgangs mit weichen Drogen kommen in Belgien auch deutlich in den Medien zum Vorschein.
Während frankophone Zeitungen seit Tagen auf die Veränderungen in der Gesellschaft hinweisen und dies mit Umfragen und Studien zu belegen versuchen, ging eine grosse flämische Zeitung auf Reportage und fand dabei einen ehemaligen Drogensüchtigen, der erst nach Jahren von seiner psychisch bedingten Cannabis-Sucht loskam und seine Krankheit als mindestens so schwerwiegend bezeichnete wie die eines Heroinsüchtigen.

NZZ, Montag, 27.11.2000

http://www.nzz.ch/2000/11/27/al/page-article6XI80.html