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Drogen sind wichtiger als der Dschihand (Schaffhauser Nachrichten)

Pubdate: 18.10.01
Source: Schaffhauser Nachrichten
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Donnerstag 18. Oktober 2001, Diverses

Drogen sind viel wichtiger als der Dschihad
Die Muslime auf dem Balkan haben andere Interessen als die Taliban.

von rudolf gruber

wien. Nach den Kamikaze-Anschlägen in New York und Washington hat die demokratische Welt den islamischen Extremisten in Afghanistan den Krieg erklärt. Doch auf dem Balkan hält sich der Westen «Friedenspartner», die über den internationalen Drogenhandel mit dem afghanischen Taliban-Regime, den Beschützern des weltweit gesuchten Terrorpaten Osama Bin Ladin, verbunden sind - die ehemalige Kosovo-Befreiungsarmee UÇK respektive deren Nachfolgezellen.

Fundamentalisten bei der UÇK

Osama Bin Laden ist auf dem Balkan kein Unbekannter. Ein wenige Jahre altes Bild in der mazedonischen Zeitung «Dnevnik» zeigt Amerikas derzeit schlimmsten Feind mit Ali Ahmeti, dem Chef der mazedonischen Albaner-Guerilla UÇK, die aus der Kosovo-UÇK hervorging und imFebruar einen Krieg gegen das Nachbarland Mazedonien anzettelte. Die lokalen Medien behaupten, islamische Fundamentalisten und Mudschaheddin würden in den Reihen der UÇK kämpfen. Mazedoniens Premier Ljubco Georgievski verglich die UÇK mit dem Taliban-Regime. Das serbische Innenministerium will gar Kenntnis über je zwei Bin-Laden-Stützpunkte in Kosovo und Bosnien haben, die als Trainingscamps für Terroristen dienten.

Angstgefühle bedient

Einmal mehr werden Angstgefühle der christlichen Slawen bedient, der Islam sei auf dem Balkan im Vormarsch. Doch die paar hundert Mudschaheddin aus dem Iran, aus Afghanistan und Saudiarabien, die 1992 bis 1995 auf Seiten der bosniakischen Muslime gegen die serbischen Aggressoren kämpften, hatten militärisch nie eine entscheidende Rolle gespielt, auch nicht in den Konflikten in Kosovo und in Mazedonien. Als Schreckgespenster der Kriegspropaganda taugen die martialisch aussehenden «Gotteskrieger» allemal. Das Polizeiministerium in Sarajewo versprach, die rund 400 Personen aus islamischen Ländern, die die bosnische Staatsbürgerschaft besitzen, zu überprüfen. Die Mehrheit sind Studenten.

1998 gab es tatsächlich Befürchtungen in den USA, der Balkan könnte zum europäischen Brückenkopf für Bin Ladens Terrornetzwerk werden. Als die Kosovaren ihren Unabhängigkeitskrieg gegen das jugoslawische Milosevic-Regime begannen, galt die UÇK nach Washingtoner Lesart noch als terroristische Vereinigung, ehe sie auf wundersame Weise zur «Befreiungsarmee» mutierte. Damals stand die Clinton-Regierung noch unter dem Schock der Terroranschläge auf zwei US-Botschaften in Ostafrika; deren mutmasslicher Anstifter, Bin Laden, soll sich zu der Zeit in Bosnien und Albanien aufgehalten haben. Die Hauptgefahren für Europa, die vom Balkan ausgehen, bleiben auch nach der Terrortragödie in den USA der Nationalismus und das organisierte Verbrechen. Die stark verweltlichten Bosniaken und Albaner sind für religösen Fanatismus kaum anfällig. Nicht der Dschihad, der «heilige Krieg», verbindet den Balkan mit dem afghanischen Taliban-Regime, sondern das lukrative Drogengeschäft der Kosovo-Mafia.

Unter den Augen der vor mehr als zwei Jahren installierten Uno-Verwaltung und 45 000 Mann Nato-Schutztruppen (Kfor) konnte sich in Kosovo ein «Balkan-Medellin» entfalten, das bei seinen schmutzigen Geschäften von den Friedensmächten kaum gestört wird. Die Albanermafia wird laut Interpol von 15 Familien, besser gesagt Clans, dominiert, die eng mit lokalen Politikern und den Parteien verzahnt sind.

Thaqi als Drahtzieher

Als graue Eminenz zwischen Politik und Kriminalität wandelt der frühere UÇK-Führer Hashim Thaqi - etliche Jahre als Student in der Schweiz -, ein Günstling der USA, der wiederum enge Beziehungen mit politischen Albanerführern in Mazedonien unterhält. Thaqi hatte Anfang 1999 den gemässigten Kosovo-Präsidenten Ibrahim Rugova beseitigt und die Nato-Staaten zu einer Intervention im Kosovo gewinnen können. Die Albanermafia, so die britische «Jane's Intelligence Review», kontrolliert bereits 40 Prozent des gesamteuropäischen Heroinmarktes, in Deutschland und in der Schweiz sind es gar 70 Prozent. Die US-Drogenbehörde DEA bezeichnet die Albanermafia als die mächtigste Heroinschmuggelorganisation der Welt.

Rund 90 Prozent des Rohstoffs werden in Afghanistan und Pakistan angebaut. Das Kosovo-Kartell muss sich um Nachschub nicht sorgen: Laut der in Wien ansässigen Uno-Behörde für Drogenkontrolle und Verbrechensverhütung lagern in Afghanistan noch rund 4000 Tonnen Rohopium. Wichtigstes Transitland ist die Türkei, wo das Heroin auch produziert und über Bulgarien zu den Depots in Kosovo, Südserbien, Mazedonien und Albanien transportiert wird.

Drogen für die Kriegskasse

Interpol schätzt die Menge auf jährlich bis zu 70 Tonnen; die Zollbehörden zogen im vorigen Jahr europaweit knapp 17 Tonnen aus dem Verkehr. «Jane's» nennt als logistische Zentren am Balkan die Kosovo-Hauptstadt Pristina, die südserbische Kleinstadt Veliki Trnovac sowie Aracinovo und Vratnica in Mazedonien. Als Umschlagplätze für den Transport in den Westen gelten die albanischen Häfen Shkoder, Durres und Vlora.

Ohne die Drogengeschäfte hätten Thaqi und seine Gefolgsleute den Unabhängigkeitskrieg gegen das Milosevic-Regime nicht führen können; das verleiht den Mafiapaten auch politische Macht. Nach Einschätzungen des Berliner Balkanexperten Wolf Oschlies in der deutschen TV-Sendung «Monitor» hat die UÇK ihren Unabhängigkeitskrieg von Jugoslawien zu zwei Dritteln aus dem Drogen- und dem Waffenschmuggel finanziert; der Rest wurde durch die Sondersteuer aufgebracht, die Auslandsalbaner entrichten müssen.

Auch die Amerikaner haben der UÇK mit Dollars, Waffen und Ausbildung unter die Arme gegriffen. Während die USA den kolumbianischen Drogenbarone den Krieg erklärt haben, dürfen sich die Heroindealer und Waffenschmuggler im Kosovo als politische Partner der westlich-demokratischen Vormacht betrachten. Über die Motive, weshalb der Westen den kriminellen Hintergrund seiner Verbündeten ignoriert, lässt sich nur spekulieren. Am häufigsten kursiert die These, wonach die von den USA dominierte Kfor eine direkte Konfrontation mit den ehemaligen UÇK-Kämpfern vermeiden wollen, um das Leben der eigenen Soldaten zu schützen.

Das zweite Motiv hat sich inzwischen erledigt: der Sturz Milosevics. Lange Zeit sah die Kfor dem blutigen Rachefeldzug der Albanergangs gegen die 200 000 Kosovo-Serben untätig zu. Offensichtlich sollten Unruhen in Serbien herbeigeführt werden. Doch nicht die UÇK-Banden halfen das Kriegsregime auszuhebeln, sondern die südserbischen Bergarbeiter, die auf Belgrad marschierten und dort das Parlament stürmten. Das ist jetzt ein Jahr her, und die UÇK geniesst immer noch den Schutz der USA. Als Draufgabe dürfen Nato-Soldaten den Rest der Serbengemeinde im Kosovo, rund 100 000 Menschen, in stacheldrahtbewehrten Enklaven vor albanischen Killern schützen.

Das dritte Motiv: Die USA wollen eine Öl- und Gaspipeline vom Kaspischen Meer über den Balkan zur Adria bauen und brauchen daher das Wohlwollen der Albanermafia. Der US-Stützpunkt Bond Steel in Kosovo soll nicht allein der Friedenspolitik, sondern künftig vor allem der Sicherung amerikanischer Energie-Interessen auf dem Balkan dienen.

Wie auch immer - die bisherige Balkanpolitik zeitigt jedenfalls desaströse Folgen. Der Belgrader Ex-Polizeichef Marko Nikovic prophezeit in einem Interview düster: «Wenn das Kosovo die Unabhängigkeit erlangt, wird sich die Produktion von Heroin verdoppeln. Das Kosovo wird ein Schmugglerparadies, dessen Tore für jedes globale Verbrechen offen stehen.» Der «Jane's»-Report warnte schon 1995, dass die Albanermafia mächtig genug werden könnte, einen oder mehrere Staaten in der Region zu kontrollieren.

UÇK kann wieder losschlagen

Der Westen kann den Kosovaren die Unabhängigkeit von Jugoslawien kaum mehr streitig machen. Die UÇK, formal aufgelöst und in ein ziviles Katastrophenschutzkorps umgewandelt, könnte jederzeit wieder ihre Kämpfer rekrutieren und die Waffen gegen die Kfor-Truppen richten.

Einen Beleg dafür lieferten die Ex-UÇK-Führer bereits ein halbes Jahr nach der Nato-Stationierung, als eine neue Guerilla, die UÇPMB, in das südserbische Presevotal eindrang, das in der fünf Kilometer breiten, entmilitarisierten Pufferzone an der Verwaltungsgrenze zum Kosovo liegt. Mit bewaffneten Überfällen auf die serbische Polizei sollten Verhandlungen über die Wiedereingliederung Kosovos in den jugoslawischen Bundesstaat vereitelt werden.

Der Brandherd im Presevotal ist zwar wieder gelöscht, brach aber im Februar dieses Jahres an anderer Stelle aus - in Nordwestmazedonien. Eine neue Zelle der UÇK unter ihrem aus Mazedonien stammenden Anführer Ahmeti zettelte vom Kosovo aus gegen die slawisch dominierte Regierung in Skopje den bewaffneten Aufstand an, der das Land an den Rand des Bürgerkriegs trieb und den der Westen jetzt mühsam einzudämmen versucht. Der Konflikt ist absichtlich herbeigeführt worden, denn alle Bürgerrechte, die die UÇK für die dortige Albanergemeinde reklamiert, hätten auch auf friedlichem Wege erreicht werden können. Auch dachten die mazedonischen Albanerparteien an keinerlei Gewaltlösung, ehe Ahmetis UÇK-Truppe auftauchte.

Der Balkanexperte Oschlies von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik wittert hinter dem Mazedonienkonflikt eher das Zusammenspiel von Mafia und Politik. Auch die USA hätten inzwischen erkannt: «Diesen schwer bewaffneten Banden geht es nicht um den Schutz albanischer Minderheiten auf dem Balkan, sondern schlicht um Geld: Profit aus dem Drogen- und Waffenschmuggel.»

Nicht zufällig führen durch das nordwestmazedonische Gebiet, das die UÇK gewaltsam unter ihre Kontrolle gebracht hat, die Schmuggelrouten der Albanermafia zur Adriaküste. Auch wenn die UÇK jetzt ihre Selbstauflösung verkündet hat und ihre Truppen von dort zurückziehen wird, bleibt die Region unter dem Einfluss der Albaner: Gemäss der neuen Verfassung muss künftig das Personal des Behörden- und Polizeiapparats die regionale Bevölkerungsmehrheit widerspiegeln, und die Mazedonier sind dort in der klaren Minderheit.