Freisinnig-Demokratische Partei der Schweiz
Die Vernehmlassungsverfahren.

 

Frau Bundesrätin
Ruth Dreifuss
Vorsteherin EDI
Bundeshaus West
3003 Bern
Bern, 7. Januar 2000

Revision des Betäubungsmittelgesetzes

Sehr geehrte Frau Bundesrätin

mit Schreiben vom September 1999 haben Sie uns eingeladen, zu  Revisionsvorschlägen  für das Betäubungsmittelgesetz Stellung zu nehmen. Wir danken Ihnen bestens für diese Gelegenheit.

Unsere Arbeitsgruppe Drogenpolitik, unter dem Vorsitz von Nationalrat Prof. Dr. Felix Gutzwiller, ZH, hat die Unterlagen eingehend geprüft und eine Stellungnahme erarbeitet. Die Geschäftsleitung hat diese an ihrer Sitzung vom 9. Dezember 1999 beraten und in folgender Fassung verabschiedet.

1. Allgemeine Bemerkungen
11. Vorgeschichte
Die FDP hat ihre Grundsätze der Drogenpolitik bereits 1990 festgelegt und diese in einem Positionspapier vom August 1995 unterbreitet. Im September 1999 wurde das Positionspapier – insbesondere aufgrund der seither stattgefundenen Abstimmungen über Jugend ohne Drogen 1997, Droleg 1998 und den dringlichen Bundesbeschluss zur ärztlichen Verschreibung von Heroin 1999 -- aufdatiert (s. Beilage).

In Postulat 5 des Positionspapiers hat die FDP erneut festgehalten, das Betäubungsmittelgesetz von 1975 sei zu revidieren.

12 Grundsätzliche Bemerkungen zu den Revisionsvorlagen

121

Die FDP ist überzeugt davon, dass ein nächster Schritt in der Drogenpolitik getan werden muss und dass weder die Beibehaltung des status quo mit all seinen willkürlichen Aspekten hingenommen werden soll noch gar ein Rückschritt hinter das bisher Erreichte in Frage kommen kann.

122

Wir sind uns aber auch bewusst, dass die Revision nicht überladen werden darf. Wir wenden uns deshalb insbesondere gegen die Erweiterung des Betäubungsmittelgesetzes auf alle Suchtmittel. Ein solcher Schritt ist zwar längerfristig wünschbar,  bedeutete ein Bekenntnis zu möglichst kohärentem Vorgehen und könnte dazu beitragen, das Bewusstsein der Bevölkerung für den Zusammenhang der Probleme mit Alkohol, Tabak und illegalen Drogen zu wecken oder zu schärfen. Er führt aber einerseits dazu, Widerstände zu kumulieren, andererseits zum Vorschlag interventionistischer Massnahmen auch für Alkohol und Tabak – wie beispielsweise eine in Art. 3 c verankerte Meldeermächtigung – sowie zu überschiessenden strafrechtlichen Vorschriften wie die Änderung von Art. 136 StGB, wonach  bestraft werden soll, wer Kindern unter 16 Jahren alkoholische Getränke verabreicht auch ohne gewerbsmässig zu handeln. Diese Vorschläge scheinen uns auch noch weitgehend unausgereift.

Wir beantragen Ihnen deshalb, auf den Einbezug von Alkohol und Tabak bei der Revision des Gesetzes auf Betäubungsmittel zu verzichten.

123

Der knappe Ausgang der Abstimmung vom 13. Juni 1999 zeigt ferner, dass es in einem nächsten Schritt darum gehen muss, die heroingestützte Therapie gesetzlich zu verankern. Dieser Revisionspunkt darf nicht durch weitere wünschbare, aber eventuell noch nicht mehrheitsfähige Revisionselemente gefährdet werden. Im Hinblick auf eine weitere Volksabstimmung über die Revision des Betäubungsmittelgesetzes ist das wichtige Teilziel der heroingestützten Therapie im Auge zu behalten. Dies gilt umso mehr als sich die Befürworter weitergehender Liberalisierungsschritte in den zu verfolgenden Zielen nicht einig sind: die einen stellen aus Gründen der Logik die Entkriminalisierung aller Drogen in den Vordergrund, die andern plädieren aus Akzeptanzgründen eher für einen weiteren Schritt in der Cannabisfrage.

124 Die FDP signalisiert Offenheit sowohl gegenüber der Entkriminalisierungsfrage als auch gegenüber der Behandlung von Cannabis. Wir verweisen diesbezüglich auf unser Positionspapier Postulat 5 samt Begründung. Unter Berücksichtigung unserer Bemerkungen unter Ziffer 123 sind unsere Ausführungen  aber als Eventualanträge zu verstehen, d.h. sollten das Vernehmlassungsverfahren oder die parlamentarische Beratungen ergeben, dass Mehrheiten gefunden werden können für die eine oder andere Variante, ist durchaus auch daran zu denken, diese bereits in den nächsten Schritt der Betäubungsmittelrevision einzubeziehen.
125 Die grundsätzlich wünschbare Entkriminalisierung braucht unseres Erachtens auch nicht zu scheitern, falls die für die öffentliche Ordnung verantwortlichen kantonalen Behörden die Besorgnis einwenden, sie begünstige das Entstehen der in hohem Masse unerwünschten offenen Szenen. Als Kompromiss böte sich an, die Strafbarkeit des Konsums auf den öffentlichen Raum zu beschränken.
126

Wir erlauben uns, nochmals unsere grundsätzliche Position im Bereich der Drogenpolitik darzulegen. Für die Bestrafung des freiwilligen Konsums im privaten Bereich gibt es nach Ansicht der FDP keine Legitimation. Insbesondere gibt es kaum eine Rechtfertigung, beim Konsum die Privatsphäre den polizeilichen Untersuchungsmassnahmen zu opfern. Fürsorgerische Massnahmen bleiben allerdings auch beim privaten Konsum vorbehalten.

Andererseits sind wir der Meinung, dass der öffentliche Konsum nach wie vor strafbar bleiben soll. Dabei sind wir uns bewusst, dass sich Abgrenzungsprobleme ergeben. Dies ist aber im Zusammenhang mit dem Begriff „öffentliche“ ein generelles Problem.

Strafbar muss auch die Produktion, der Besitz in der Öffentlichkeit und der Handel bleiben. Bei der Strafverfolgung des Handels ergibt sich zwischen Produktion und Konsum eine etwas willkürliche Schnittstelle. Wir erachten es aber als falsch, aus der Straffreiheit des privaten Konsums einfach die Straffreiheit aller Vorbereitungshandlungen wie Handel, Transport usw. abzuleiten. Die Problematik des Besitzes von Kleinstmengen in der Öffentlichkeit kann bei der Strafzumessung oder im Rahmen des Opportunitätsprinzips berücksichtigt werden.

Wie bereits erwähnt befürworten wir die heroingestützte Therapie. Allerdings hat es sich um hochstrukturierte Programme mit der grundsätzlichen Zielsetzung der Suchtfreiheit zu handeln. Die Kantone müssen bei der zur Verfügungstellung derartiger Angebote mitbestimmen können.

Schliesslich haben wir auch immer die Schaffung v on besseren gesetzlichen Grundlagen für die Durchführung zeitlich begrenzter Zwangsmassnahmen zur Entgiftung und zur Motivierung zusätzlicher Entzugsmassnahmen befürwortet.

2.

 Bemerkungen zu den Varianten

21 Bevorzugte Variante:

Im Vordergrund steht für uns eine Kombination der Variante 1 des Bundesrates mit Variante 1 der SGK des Nationalrates, d.h. wir sind bereit, uns auseinanderzusetzen mit der materiellrechtlichen Entkriminalisierung (Strafbefreiung) des Konsums und seiner Vorbereitungshandlungen betreffend alle illegalen Betäubungsmittel sowie der Einführung des Opportunitätsprinzips für Anbau, Herstellung und Handel betreffend Cannabis zu. Voraussetzungen dazu sind strikte Regelungen bezüglich abgegebener Menge, Ausweis- bzw. Alterskontrollen, öffentlicher Ordnung. Die Auswirkungen auf die Einstellung der Jugendlichen zu Cannabis, auf die Konsumhäufigkeit, auf die Marktentwicklung sowie auf Polizei und Justiz sind kritisch zu untersuchen, damit sich als notwendig erweisende Korrekturen angebracht werden können. Grundsätzlich müssen die  Präventionsanstrengungen bei Jugendlichen weiter verstärkt werden. Im Unterschied zur Variante des Bundesrates lehnen wir aber eine auf 18 Jahre festgelegte „Drogenmündigkeit“ ab. Eine solche könnte so verstanden werden, dass die Substanzen nur bis zum Erreichen von 18 Jahren gesundheitsgefährdend sind, danach aber bedenkenlos eingenommen werden können. Dagegen plädieren wir für Einschränkungen der Variante 1 der SGK und treten für griffige Massnahmen beim Verkauf, dem Handel  usw. von Cannabis ein. So schlagen wir u.a. ein gleich dem Alkohol geregeltes Verbot des Verkaufs von Cannabis an Jugendliche unter 16 Jahren vor. Die Altersgrenze 16 Jahre wäre somit bei den illegalen Suchtmitteln (Cannabisprodukte und harte Drogen) gleich geregelt wie bei den legalen. Wünschbar wären diesbezüglich stärkere Kontrollen zur praktischen Durchsetzung des Verbots (s. ferner unsere Bemerkungen zu Art. 19 Abs. 1 Bst. f und Art. 19 Abs. 2).

Begründung

Die Einführung der Strafbarkeit des Konsums illegaler Drogen im Jahre 1975 war zum einen als kriminalpolizeiliches Mittel gedacht: Man erhoffte sich einen besseren Zugang zum Händler. Es hat sich in der Praxis indessen gezeigt, dass dieses Ziel nicht erreicht wurde. Stattdessen hat man viele Kräfte des Polizei- und Justizapparates auf kleine Konsumenten gerichtet. Der Erfolg gegenüber grossen Händlern hielt sich demgegenüber in Grenzen.

Zum anderen war man überzeugt, Repression sei eine Präventionsmassnahme. Insbesondere die Frühprävention ist aber in Frage gestellt wenn aus einem Uebertretungstatbestand fast ein Kapitalverbrechen gemacht wird. Gespräche der Eltern, Lehrer usw. mit Jugendlichen, welche Drogen konsumieren, sind sehr wichtig und sollten nicht durch Strafandrohungen belastet sein.

Die FDP ist überzeugt, dass der Schritt zur Entkriminalisierung illegaler Drogen der ehrlichere ist, denn wo Aufwand und Ertrag von Strafbestimmungen nicht (mehr) in einem vernünftigen Verhältnis stehen, sollte auf die Strafbarkeit besser verzichtet werden. Wir bekennen uns zu diesem Schritt im Bewusstsein, dass mit all den Vorteieln , die er bringt, auch Nachteile verbunden sein können.

Einerseits ist nicht auszuschliessen, dass die Bekämpfung des Handels schwieriger werden kann. Der Schritt führt zwar nicht vom Konsumenten zum Importeur, aber immerhin zum Kleinhändler. Dieser und seine Laufburschen werden immer nur so viel Substanz auf sich tragen, dass sie als Konsumenten gelten. Andererseits ist nicht ganz auszuschliessen, dass die Bekämpfung der Szene schwieriger wird. Aus dieser Optik ist die Frage nach der Strafbarkeit des öffentlichen Konsums noch einmal zu prüfen.

22 Gesetzessystematik

Stimmt man dem Grundsatz der Entkriminalisierung des Konsums zu, so ist u.E. die Gesetzessystematik zu ändern.

Zunächst wäre der Grundsatz der Straflosigkeit des Konsums aufzuführen. Es folgte die Straflosigkeit der Vorbereitungshandlungen (allenfalls im gleichen Artikel). Schliesslich wären die Straftatbestände aufzulisten (Art. 19).

23 Variante 2

Eventualiter stimmen wir der Variante 2 des Departements zu, wonach nur der Konsum und die Vorbereitungshandlungen bei Cannabis materiellrechtlich entkriminalisiert werden und für den Konsum und die Vorbereitungshandlungen aller anderer Betäubungsmittel das Opportunitätsprinzip eingeführt wird.

Unsere  Ausführungen zu den Begleitmassnahmen und zur „Drogenmündigkeit“ unter Ziffer 21 gelten auch für Variante 2.

24 Ergänzungen in der Botschaft
Wir gehen davon aus, dass in der Botschaft die im Bericht fehlenden Ausführungen über die finanziellen Konsequenzen für Bund und Kantone nachgeliefert werden. Wir erwarten auch, dass die Vorlage den Bestrebungen nach klarer Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen nachkommt und dem Subsidiaritätsprinzip Rechnung trägt.
3. Bemerkungen zu den einzelnen Artikeln

Art. 1b: In diesem wie in sämtlichen anderen Artikeln ist der neu eingeführte Begriff „Suchtmittel“ durch „Betäubungsmittel“ zu ersetzen (s. Ziff. 123).

Art. 1b Abs. 5: Wir stimmen der Kompetenzverschiebung vom Bundesamt für Gesundheitswesen zu unter der Voraussetzung, dass rasches agieren bei der Rechtsetzung (nicht nur reagieren, wie im Bericht erwähnt) gewährleistet ist (s. auch Aufhebung Art. 3 Abs. 3).

Kapitel 1a (neu): Dieses Kapitel ist in Abschnitt 1 und 2

a) auf Betäubungsmittel einzuschränken
b) angesichts der mit dem neuen Finanzausgleich angestrebten Ziele auf klare Kompetenzzuteilungen an Bund oder Kantone zu überprüfen.

Artikel 3c: Die auf alle Suchtmittel ausgedehnte Meldeermächtigung zeigt u.E. besonders gut, dass die Revision des Gesetzes nicht auch für Alkohol und Tabak gelten kann.

Artikel 19

Zur Systematik: s. Ziff. 22. Dass bei Variante 1 Änderungen nötig sind, zeigt beispielsweise der Kommentar zu Art. 19 Abs. 1 Bst. e (Bericht S. 45) auf, wonach der mit dem Entwurf vorgelegte „Widerspruch“ weiter hinten (in 19 b) wieder „aufgelöst“ wird. Bei Variante 2 wird die Systematik ebenfalls überprüft werden müssen.

Art. 19 Abs. 1 Bst. f Kommentar  S. 46 (gilt für Varianten 1 und 2) Wir teilen die Auffassung nicht, Art. 19 Ziff. 1 alinea 8 sei zu streichen, da seine Berechtigung mit der Straflosigkeit des Konsums entfalle. Wir beantragen, weiterhin unter Strafe zu stellen, „wer öffentlich zum Betäubungsmittelkonsum auffordert oder öffentliche Gelegenheit zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln bekanntgibt“ (Werbeverbot! usw.).

StGB Art. 136

Wir sind einverstanden, dass der Verkauf von Cannabis gleich geregelt wird wie bei Alkohol und Tabak (Alterslimite 16 Jahre). Ein Straftatbestand, welcher aber z.B. Eltern, die an Familientreffen auch unter 16jährigen Kindern Alkohol abgeben, Busse androht, halten wir für unverhältnismässig.

4. Bemerkungen  zur Hanfverordnung
Bei der von uns bevorzugten Variante 1 des Bundesrates entfallen die Verordnungsänderungen gemäss Entwurf. Auch wenn Variante 1 nicht Folge geleistet wird, sind u.E. die Vorschläge so angelegt, dass sie das Rad zurückdrehen wollen, was kaum praktikabel sein dürfte.

 

Wir danken Ihnen, sehr geehrte Frau Bundespräsidentin, noch einmal für die Gelegenheit zur Stellungnahme, hoffen auf Berücksichtigung unseres Hauptantrags und verbleiben mit freundlichen Grüssen
Freisinnig-demokratische Partei der Schweiz

Der Parteipräsident:                  

Der Generalsekretär:
Franz Steinegger    Johannes Matyassy
Nationalrat