Cannabislegalisierung in Deutschland!
Neuigkeiten
Argumente
Politik
Verein
Aktionen
Medienprojekt
Infos über Cannabis
Hanf & Recht
Politik international
Studien
Bücher
Links
Suchen
Kontakt
in English in English
 

Drogenkultur im Osten (Michael Kleim)

AKZEPT Thüringen e.V.

Landesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik

Michael Kleim Talstr. 30 Gera 07545

Tel.: 0365 – 26843 www.akzept-ost.de

 

 

Drogenkultur aus dem Osten?

Impulse und Anstöße – von einem nichtnostalgischen Rückblick zu Perspektiven

Eine sehr subjektive Betrachtung

---gewidmet der Vorreiterin für akzeptierende Drogenarbeit im Osten, Dr. Gundula Barsch

 

Memory

 

„Mein Name ist Nina Hagen, die nun folgende Story ist Fantasie, sie ist lediglich in meinem Geiste so passiert:

...Dann kam Herr Honecker auf mich zu, schüttelte lächelnd meine rechte Hand und ich die Seine. Die Konversation kam in Schwung...Nach ca. einer halben Stunde bot ich ihm eine Marihuana-Zigarette an, und er willigte ein, mit mir diese „Friedenspfeife“ zu rauchen...Mein Gitarrist hatte etwas Kokain dabei, und ihr hättet Honecker mal sehen sollen! Eine Riesenlinie, und los gings mit Erich...Als wir uns alle einig waren, dass das geplante Konzert auf den nächsten Tag verschoben wird, erzählte ich Erich Honecker von der wundervollen Wirkung von Extasy! Er war so gut drauf, daß er es gleich probieren wollte! Zum Glück hatte ich ein Ticket dabei, und dann ging die Reise los! Erich und Nina in Extasy!“[1]

 

DDR und Drogen:

 

-          in der offiziösen Sprachgestaltung waren „Drogen“ nahezu ein Synonym für „kranken, sterbenden und parasitären Kapitalismus“(Lenin). das Thema wurde durchaus in Presse, Fernsehen und Schule aufgegriffen, doch galt „Rauschgift“ dabei immer nur als typischer Ausdruck der dekadent –destruktiven Welt vor dem eisernen Vorhang. das Schlüsselwort „Drogen“ war eine ideologische Schablone, eine Sachauseinandersetzung lag nicht im Interesse der realsozialistischen Herrschaftssüchtigen

-          da Drogen als Kontrastmittel politisch funktionalisiert wurden[2], wurde Drogengebrauch allein als Symptom gesellschaftlicher Defizite bewertet. Drogensüchtige waren Opfer des kapitalistischen Systems, die im Rausch ihren unerträglichen Lebensbedingungen entfliehen wollten. das bedeutete im Umkehrschluß, daß es im real existierenden Sozialismus eigentlich kein Drogengebrauch geben durfte, da es hier offiziell keinerlei Notwendigkeit gab, sich zu betäuben.[3]

-          im Staatsbürgerunterricht kam jeder Schüler mindestens einmal in seinem ostdeutschen Leben gedanklich mit Drogen in Berührung, nämlich in Zusammenhang mit Religion : „Die Religion ist Opium des Volkes“. dieses Marx - Zitat rückte Rausch und Religion in eine bemerkenswerte Nähe und wies Beiden die Rolle zu, Protest gegen Leid und Sehnsucht nach Befreiung zu sein. unterschlagen haben die Lehrer/innen dabei stets, die Tatsache zu erwähnen, dass Karl Marx selbst gelegentlich Opium gebraucht hatte.

-          die Gesetzeslage war ähnlich der in der Bundesrepublik Deutschland; wen wunderts, war die DDR doch ein eifriges UN – Mitglied.

-          doch beim Anbau von Mohn –Papaver Somniferum wohlgemerkt – waren die Regeln eindeutig lockerer. Landwirte wurden zeitweise geradezu verpflichtet, diese Pflanze auf ihren Feldern gedeihen zu lassen. Thüringen hatte im Mohnanbau eine regelrechte Tradition. So wurde es dann für manche einstige DDR - Bäckersfamilie zu einer Überraschung, als nach der Wende das eigene Aufziehen der für den leckeren Mohnkuchen notwendigen Blume strengstens untersagt, genauer: strafrechtlich verboten wurde.

-          eine Alkoholprohibition bestand faktisch für den Bereich der Nationalen Volksarmee. Da im Gegensatz zu heutigen Verhältnissen die Wehrpflichtigen in der DDR mitunter wochenlang die Kasernen nicht verlassen durften (sog. Ausgangs- und Urlaubssperre), entwickelte sich ein geradezu professioneller Alkoholschmuggel mit den bekannten Konsequenzen – extremer Gebrauch vorrangig hochprozentiger Ware.

-          der Gebrauch von Substanzen, die unter das Strafrechtsverbot fielen, ist natürlich in Einzelfällen aufgetreten. Morphinismus trat gelegentlich und meist unauffällig bei Ärzten und Krankenschwestern, Ärztinnen und Pflegern auf. Einige Künstler/innen wagten sich an Joint und Acid, so sie die entsprechenden (direkten) westlichen Beziehungen bzw. Kontakte zu entsprechenden Szenen in Prag, Warschau oder Budapest pflegten. und als allgemein (hinter vorgehaltener Hand) bekannt galt Drogengebrauch bei bestimmten ausländischen Studenten.

-          ein Markt oder präziser: ein Schwarzmarkt in größeren Umfang konnte sich für die gängigen illegalen Rauschmittel wie Haschisch, Speed, Kokain oder Heroin schon deshalb nicht etablieren, weil diese Waren Importprodukte waren. Welcher Dealer aber wäre das Risiko strafrechtlicher Verfolgung eingegangen, um einen Sack voll OstMark oder ForumChecks im Kofferraum nach Hause zu fahren? Auch für den Drogenhandel war die DDR wirtschaftlich einfach zu unattraktiv.[4]

-          und dennoch waren Drogen durchaus auch innerhalb der DDR-Jugend - Subkulturen geheimnisvoll anwesend; unsichtbar zwar, aber gerade deshalb Anstoß für Phantasie und Sehnsucht. Die Tramper in den siebziger Jahren, langhaarig natürlich und mit Jeans, Kutte, Fleischerhemd oder ausgeleierten Pullover, Tramper- oder Jesuslatschen bekleidet, waren vom Geist der Studentenrebellion angesteckt. Nicht nur im Westen, auch innerhalb des bieder – langweiligen „sozialistischen“ DDR-Staates bestand „eine tiefe Unzufriedenheit der Jugendlichen mit der Gesellschaft..., deren zentrale Bestandteile das Erleben von Entfremdung und die Widersprüchlichkeit zwischen gesellschaftlichen Wertesystem und Handlungssystem waren.“[5]

-          diese romantische Gegenwart von Drogen, bewusst auch als Gegenidee zur poststalinistischen Gesellschaft gemeint, drückte sich insbesondere über Musik (Stones, Beatles, Doors, Bob Dylan, Jonis Joplin, Eric Burdan später auch Sex Pistols, Velvet Underground oder Bob Marley) aus. Nicht Wenige zog es u.a. im Sommer deswegen nach Budapest, weil man dort den Kultfilm „Hair“ sehen konnte.

-          „eine Protestversammlung hatte es in Leipzig zu meinen Lebzeiten nie gegeben, ich kannte so etwas nur aus dem Fernsehen ganz woanders und stellte mir vor, wie Massen mit Plakaten aufmarschierten, auf denen stand –freiheit für die kings! und Polizisten und alle stabülehrer schrieben unsere Namen auf. ..auf einmal waren die Kings unter uns und wurden auf Schultern getragen und marschierten unseren Zug voran, auf einer riesigen Wiese lieferten sie ein irres Konzert, wer englisch konnte, und ich konnte wunderbar englisch, schrie mit. Die Beatles schwebten vom Himmel, sie dankten uns, weil wir die Kings befreit hatten; niemand von uns spürte noch das geringste bisschen Angst, wir alle konnten zehn Meter weit springen wie ein Mann auf den Mond, wir winkten mit unseren Gitarren und waren ganz einfach high. die Stones jagten heran, wir alle sangen und spielten...“[6]

-          was literarisch zu finden war, wurde unabhängig von Herkunft und Zusammenhang mit eigenem Blickwinkel gelesen, so u.a. Berichte in Zeitschriften (besonders populär war ein Artikel über die Frankfurter Drogenszene im „Magazin“), wissenschaftliche Abhandlungen (z.B. über Wirkung von Peyote in einem Kakteenbuch) und Belletristik (Geheimtipp und Renner wurde Jack Kerouacs Roman „On the road“, der – wenn auch in sehr kleiner Auflage – in der DDR erschienen ist)

-          natürlich gab es auch szenebezogene Experimente mit psychoaktiven Mitteln jenseits des Alkoholkonsums. Der Gebrauch von Lösungsmitteln oder die Anwendung unterschiedlichster Psychopharmaka in Kombination mit Alkohol und/oder Koffein (sprichwörtlich wurde der Faustan – Cola – Cocktails )[7] waren ebenso verbreitet wie Selbstversuche mit verfügbaren Naturdrogen (Nachtschatten, Fliegenpilz, Ipomoeasamen)[8]

-          das Erproben psychoaktiver Möglichkeiten trieb dabei mitunter seltsame Blüten. Von dem berüchtigtem Cola – Spee – Gesöff abgesehen, wurden unterschiedlichste Substanzen geraucht, u.a. schwarzer Tee oder Muskat. Carondo nannte sich ein Trank, bei dem Cabernet (Rotwein) anstelle des schlichten Wassers durch die Kaffeemaschine geschickt wurde und so einen koffeinhaltigen Glühwein erzeugte – anregend und betäubend zugleich.

-          natürlich waren Experimente in den subkulturellen Szenen weit eher anzutreffen als im realsozialistischem Establishment; in den Siebzigern waren das die Tramper – eine Art ostdeutsche Hippievariante; in den Achtzigern insbesondere Punks und Grufts; und zu allen Zeiten die alternative Kunstszene [9]

-          einen eigenartigen Stellenwert besaß in der DDR die Teekultur. Selbst Rainer Kunze widmete diesem Phänomen eigens ein Gedicht: „Einladung zu einer Tasse Jasmintee – Treten sie ein, legen sie ihre Traurigkeit ab, hier dürfen sie schweigen“. Tee wurde weder gekocht noch einfach nur getrunken – er wurde zelebriert. Besonders in Theologenkreisen war dieser elitär verstandene Brauch verbreitet und hat sich mancherorts bis heute in eigenwilliger Form erhalten.

-          in der allgemeinen Bevölkerung bestand darüber hinaus ein eher geringfügiges Interesse für dieses Thema. Ein gewisser Voyeurismus wurde über die Westmedien befriedigt und führte bei Vielen zu der Meinung: „wenigstens gibt’s das nicht in der DDR“

-          auch für die Opposition war Drogenpolitik kein Thema.

-          ein Drogenhilfssystem, wie es vor allem in den Siebzigern im Westen gewachsen ist, war praktisch nicht vorhanden und wohl auch kaum notwendig. Wohl existierten auch Beratung, Vermittlung von Therapie und Nachsorge in den klassischen Bereichen von Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit; auch diesbezügliche Selbsthilfegruppen im Rahmen der Kirche[10] waren vereinzelt aktiv. Doch blieben Rausch, Drogen und selbst Sucht weitgehend tabuisiert.

 

 

Die Moskauer Journalistin und Schriftstellerin Alina Wituknowskaja wurde 1994 verhaftet und ein Jahr lang inhaftiert. Trotz des Vorwurfes, mit Drogen gehandelt zu haben, wurde kein Prozeß eröffnet. Nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis schrieb Alina Wituknowskaja:

„Wenn ich die heutige Situation mit der vor zwei Jahren vergleiche, bin ich überzeugt, dass die Faktoren, die die heutige Drogenszene schlimmer machen, politische sind. Denn obwohl die Polizei „Krieg“ gegen die Drogen führt, obwohl immer mehr kleine Händler und Gelegenheitskonsumenten im Gefängnis landen (wo der psychologische und körperliche Schaden, der ihnen dort zugefügt wird, den durch Drogen oft weit hinter sich lässt), obwohl die Zahl der Informanten höher ist als die Zahl der potentiellen Opfer, trotz allem ist die Qualität der Drogen schlecht wie nie. Drogen sind zu einem Kontrollinstrument geworden, einer Form von Regierung. Das System in Russland hat sich nie geändert, es wurde, als es nötig wurde, nur in sein Gegenteil verkehrt .Und die erste Generation, die in Freiheit erwachsen wurde, schafft sich einen Totalitarismus mit ihren eigenen Händen, einen Totalitarismus, der sich aus Verrat und Informantentum speist. Ein neuer Gulag ist entstanden mit Millionen Gefangenen.

Die stumme Generation wird nie fragen: Warum? Die stumme Generation wird nur die Aussageprotokolle unterschreiben und ihr Leben zwischen Parties und Polizei wieder aufnehmen.“

 

-          im Vergleich dazu zwei andere Staaten des ehemaligen Ostblockes: die Sowjetunion war durch ihre asiatischen Republiken in gewisser Bedeutung Herstellungs- und Transitland für Opiate geblieben. Ein deutlicher Anstieg des Heroingebrauches konnte in Folge des Afghanistankrieges festgestellt werden. Drogengebraucher waren einer starken Repression mit zum Teil drastischsten Strafen ausgesetzt, wodurch eine radikale Stigmatisierung erfolgte. An diesem autoritären Umgang mit der Drogenproblematik, der auf Menschenrechte keinerlei Rücksicht nimmt, hat sich nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft bis heute nicht geändert. Im Kontrast zu den geradezu militärischen Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden muss der Bereich Drogenhilfe und Prävention als extrem unterentwickelt bewertet werden.

-          In Polen wiederum entwickelte sich, ähnlich wie in Ungarn, seit Anfang der Siebziger Jahre eine feste Szene. Ein eigenständiger Markt konnte sich zwar auch hier kaum etablieren (Devisenprobleme), aber es entstanden Selbstversorgerstrukturen.[11] Sprichwörtlich wurde eine Mohnstrohauskochung, die „polnische Suppe“ genannt wurde. Dennoch galt der Drogenbesitz zum Eigengebrauch nicht als Straftat, die Polizei hielt sich bei der Verfolgung von Konsumenten spürbar zurück; andererseits waren bereits in der realsozialistischen Ära Hilfsorganisationen aktiv. Nach der Wende etablierte sich ein Drogenschwarzmarkt und insbesondere der Gebrauch von Cannabis nahm deutlich zu. Ebenso entstanden eine Reihe illegaler Labors, in denen Amphetamine für den Export hergestellt werden. In der erneuerten Drogengesetzgebung von 1997 konnten zum Teil diese liberalen Ansätze bewahrt bleiben, auch wurden Gesundheitsvorsorge und Harmreduktion wie Spritzenvergabe und Substitution juristisch geregelt. Jedoch bleibt zu befürchten, dass auf Druck konservativer Kräfte eine Verschärfung der Gesetzgebung und politischen Praxis erfolgen wird.

 

„Bye bye my love Ich will nur einmal mit den Vögeln ziehn

Bye bye my love Ich komme wieder wenn die Wiesen blühn“ (Tamara Danz)

 

Wende:

 

-          Maueröffnung und Reisefreiheit führen zu ersten eigenen Berührungen mit der westlichen Drogenwirklichkeit. Dies kann wahlweise Erschrecken (Wahrnehmung großstädtischer Heroinszenen) oder positive Überraschung (die Niederländische Hauptstadt ist nun auch erreichbar) auslösen. So schwankt die östliche Öffentlichkeit zwischen Panik und Faszination.

-          die Medien, so sie sich überhaupt dem Thema nähern, stellen die Frage „Überrollt die (Ex) – DDR jetzt eine Drogenwelle?“[12]

-          die demokratische Opposition war für das Thema Drogenpolitik fast völlig unvorbereitet. Dennoch erschien bereits 1990 ein erster Artikel, in dem spezifische Erfahrungen aus dem DDR – Widerstand ( die Frage nach Rechtssicherheit, Kritik an ideologisch begründeten Strafrecht, Kriminalisierung gesellschaftlicher Probleme) auf die Prohibition und das Betäubungsmittelgesetz übertragen wurden. Der Artikel hieß „Plädoyer für das Amsterdamisieren“ und erschien in einer Publikation der Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM).

 

„Wir wolln immer artig sein denn nur so hat man uns gerne

Jeder lebt sein Leben ganz allein und darum spalten wir die Sterne “ (Aljoscha Feeling B)

 

Fünf Jahre später:

 

-          1994 liest Herbert Huncke im alternativen OstBerliner Kulturhaus Tacheles. Dieses Urgestein der Beatniks findet mit seinen Geschichten von Junk und Koke lebhaftes Interesse.

-          Jochen Gartz, Mykologe aus Leipzig, veröffentlicht als geachteter Kenner psilocybinhaltiger Pilze in der Fachpresse und in der Szene. Kontakte u.a. zu Werner Pieper und seinen MedienXperimenten.

-          mit dem Einigungsvertrag wurden auch die ab jetzt so genannten „neuen Bundesländer“ zum Geltungsbereich des bundesdeutschen Betäubungsmittelgesetz. Die rasante Übernahme westlicher Strukturen erfolgte auch auf diesem Gebiet.

-          nach den anfänglichen Übertreibungen („Drogenexplosion“ ) erfolgte nun das Herunterspielen („Ostdeutsche sind gegen Drogen überraschend immun“)

-          politisch und strafrechtlich bestand die Devise „Wehret den Anfängen mit ganzer Härte“ mit der proklamierten Absicht, Drogenszenen gar nicht erst entstehen zu lassen

-          in der Praxis hatte das die Konsequenz: einerseits wenig Engagement im Drogenhilfebereich; insbesondere niedrigschwellige Angebote wurden als „nicht notwendig“ bezeichnet. Andererseits erfolgte gleichzeitig eine strikte Strafverfolgung, um eine entstehende Drogenetablierung „im Keim zu ersticken“. Liberale Ansätze wurden von den meisten Ostpolitikern verständnislos abgelehnt.[13]

-          der Osten wurde drogenpolitisch zu einer Kraft, welche notwendige Reformen in Bund und Ländern hemmte. Die Chance, durch eine grundsätzlich andere Weichenstellung im Vorfeld Fehler aus dem Westen gar nicht erst zu wiederholen und Erfahrungen aus der Ost – Opposition für drogenpolitische Entscheidungen fruchtbar zu machen, wurde konsequent und vollständig verspielt.

-          die meisten der im Osten bestehenden Suchtberatungsstellen, die ihr Arbeitsgebiet auf die klassischen Alkoholprobleme konzentrieren, sind bei Anfragen illegale Substanzen betreffend weitgehend hilflos

-          dennoch entwickeln sich zaghaft erste Ansätze auch akzeptierender Drogenarbeit, insbesondere über die AIDS – Hilfen, die Offene Arbeit der Evang. Kirchen und von einzelnen, engagierten Streetworker und Drogenberater. Auch gibt es schon Anfänge informativer Netzwerkstrukturen[14]und individuelle Kontakte zum AKZEPT e.V. Bundesverband. Auf dem AKZEPT Kongress 1993 in Hamburg wird der Situation in den nun so genannten „neuen Bundesländern“ eigener, wenn auch schmaler Raum zugestanden.[15]

-          1994 fand in Potsdam eigens für die neuen Bundesländer der Kongress „Jugend und Drogen“ statt. Die damaligen Themen hören sich merkwürdig aktuell an: Drogenkonsum in Jugendeinrichtungen, Drogen und Medien, Substitution – wie geht das?, Legalisierungsmodelle auf dem Prüfstand und so weiter...Jedoch scheinen viele Teilnehmer/innen überfordert; sie haben kaum direkte Erfahrungen und selten eine eigene Position. Der Kongress – so sieht es jedenfalls aus – kam zu früh. Aber seine Themen und Anfragen blieben bis heute relevant. Und er machte deutlich, dass auch hier eine drogenpolitische Opposition existiert.

-          Kritik an Repression und Drogenstrafrecht auf politischer Ebene kommt von Bündnis 90/Die Grünen, den Jusos und der PDS. Zum Teil wird dabei bewusst in Sprache und Argumentation auf Erfahrungen aus der DDR – Opposition zurückgegriffen. So heißt es u.a. in einem Flugblatt aus diesen Tagen :“Wenn von politischen Altlasten die Rede ist, denken die meisten nur an die Ex – DDR. Dabei ist es höchste Zeit, eine Altlast der alten Bundesländer ins Gespräch zu bringen; wir meinen die Altlast Drogenpolitik. Gesellschaftliche Probleme wurden n ie durch Repression, Verbote und Administration gelöst; dies müssten wir doch aus der alten DDR – Zeit gründlich gelernt haben....Die repressive Drogenpolitik hat die Situation nur verschärft, ein „Sieg“ im Drogenkrieg wäre nur im Szenario einer Abstinenzdiktatur vorstellbar. Die Absicht, eine drogenfreie Gesellschaft zu erzwingen, ist für die Demokratie genauso gefährlich wie einst die Illusion von einer klassenlosen Gesellschaft! ...Wollen wir den weiteren Abbau der Menschenrechte und Demokratie oder einen beginnenden, schrittweisen Abbau der Repression?[16]

-          diese Argumentationslinie finden wir aktuell wieder – und zwar in einer Stellungnahme der Evangelischen Jugend Thüringen. Gegen den Vorschlag des Thüringer Innenministers Köckert (CDU), an Schulen regelmäßige Blut-, Urin- und Haartests an Schüler/innen durchführen zu lassen, um so dem Drogenproblem zu begegnen[17] bringen Vertreter der Evangelischen Jugend neben den präventiv – pädagogischen und juristischen auch einen grundsätzlich politischen Einwand vor: „Die veröffentlichte Kriminalstatistik, welche einen Anstieg der Drogendelikte sowie eine stärkere Verbreitung auch harter Drogen belegt, macht eines deutlich: Die stark repressive Drogenpolitik der Thüringer Regierung hat ihr Ziel, die Etablierung eines Rauschmittelschwarzmarktes zu unterbinden, trotz Repression nicht erreicht. Die politische Mentalität, die meint, mit umfassender Kontrolle, Überwachung und noch weiter steigender Repression das Drogenproblem in den Griff zu bekommen, löst nicht nur das Problem nicht, sonder etabliert zudem ein sicherheitspolitisches Grundprinzip, dessen fatale Folgen wir aus jüngster Vergangenheit noch kennen. Gerade unsere DDR - Erfahrungen machen uns solchen Ideen gegenüber sensibel und kritisch.“[18]

-          ein Großteil der Verantwortlichen und Unverantwortlichen gibt sich der Illusion hin, dass die Menschen hier im Osten „irgendwie“ gegen die „Drogenversuchung“ immun sind und wir deshalb (fast) kein Drogenproblem haben. Sie übersehen aber zweierlei: Zum einen entsteht „das Drogenproblem“ nicht einfach so aus sich heraus, sondern ist zu einem beträchtlichen Teil Produkt einer verfehlten Politik. Da diese Politik mit der Wende übernommen wurde, war es nur eine Frage der Zeit, bis auch in den neuen Bundesländern „das Drogenproblem“ unübersehbar würde. Zum anderen wird die Eigendynamik der real existierenden Drogenlandschaft ignoriert; diese entsteht aus ökonomischen Antrieben des Schwarzmarktes, aus der Faszination und aus positiven Aspekten, welche Drogen in sich tragen und nicht zuletzt aus der Tatsache, dass Drogengebrauch oft kulturell integriert wird.

-          am weitesten und dem Westen am angeglichensten erfolgt zu dieser Zeit die Verbreitung illegalisierter Rauschmittel im Techno- und Partysetting. Aber auch traditionelle Szenen, wie Alt- und Neuhippies, Punks und Gothiks, nutzen die neuen Möglichkeiten für psychoaktiver Experimente. Vorrangig werden Haschisch und Marijuana angewandt. Punks übernehmen nicht selten drastische Konsumformen, wie das „Eimern“. Illegale Rauschmittel bekommen über ihre Wirkung hinaus eine Funktion zur eigenen Abgrenzung und Gruppenidentifikation – eigentlich ein ganz normaler kulturgeschichtlicher Vorgang. Aber es werden gerade diese kulturellen Szenen zur bevorzugten Zielgruppe der Drogenfahnder.

 

 

In diesem tristen Land dem kalten ist’s nüchtern doch nicht auszuhalten“ (Wenzel)

 

Fest – stellung? das Jahr 2002

 

-          Haschisch und Marijuana sind auch in den neuen Bundesländern weit verbreitete Alltagsdrogen geworden und nicht mehr allein einer bestimmten kulturellen Gruppe zuzuordnen. Die Reisefreiheit führt nach Amsterdam, Marokko, Jamaika, Thailand und in die neutrale Alpenrepublik. Nicht wenige sind im Ausland zuerst mit Drogen in Kontakt gekommen.

-          Trotz des Bundesverfassungsgericht werden zumindest in Sachsen und Thüringen auch geringe Mengen zum Eigenbedarf mitunter zur Anklage gebracht. Urteile wegen Einfuhr und Handel sind rigoros: Haftstrafen zwischen 3,5 – 5,5 Jahren[19].

-          Mittlerweile scheint in der Drogenpolitik das Nord – Süd – Gefälle prägender als der Ost – West – Konflikt.

-          Die Verbreitung von Heroin nimmt nun doch weitaus deutlichere Ausmaße an als vermutet. Eine besondere Problemgruppe stellen sogenannte jugendliche Spätaussiedler aus Russland dar. Weitere Aussagen von Präsenz illegalisierter Rauschmittel sollte regional und konkret erfolgen; Pauschalisierungen waren noch nie hilfreich.

-          die öffentliche Wahrnehmung von Drogen erfolgt differenziert und jeweils prägnant: so gibt es deutlich mehr Wahrnehmung von Drogen (und auch Drogenpolitik) aus eigener Erfahrung – indirekt über seine Freunde, Kinder, Verwandten, Bekannten und natürlich auch direkt über die eigene Person. Bei diesen Menschen haben oft ein kritischeres Verhältnis zur bestehenden Drogenpolitik . Andererseits gelten Drogen noch weit verbreitet als diffuse Metapher für Bedrohung. Dies kann eine typisch östliche Variante sein, in der Drogen als „westlicher Problemimport“ gewertet wird. Drogenangst äußert sich auch als Beispiel eigener Xenophobie, als Spezialform von Fremdenfeindlichkeit. Dies fördert letztlich eine neoautoritäre Mentalität.

-          die vor allem auch in den neuen Bundesländern aktiven rechtsradikalen Gruppierungen nutzen solche Stimmungen für ihre Propaganda. Klare Feindbilder, einfache Lösungen, der Ruf nach starken Staat und harten Strafen – Drogenpolitik gehört mit zu den Lieblingsthemen der neuen Nazis. Das Drogenthema ist für die neue Rechte deshalb so wichtig, weil sie hier an ein weitverbreitetes Feindbild anknüpfen kann. Über dieses Thema versucht sie, in Bevölkerung, Medien und Politik insgesamt eine breitere Akzeptanz zu erreichen. [20]

-          die Selbsthilfe – regional sehr unterschiedlichen und immer noch viel zu klein –hat begonnen, sich zu organisieren; neben den AIDS-Hilfen sind das Eve & Rave, JES und die Grüne Hilfe. Formen akzeptierender Drogenarbeit konnten sich durchaus etablieren, haben aber oft noch einen schweren Stand. Substitution ist schwierig, Spritzentausch meist dagegen kein Problem. Spezifische Angebote fehlen an vielen Orten (wie Drogenkontaktläden u.ä.) oder sind mit ostspezifischen Argumenten („haben wir nicht nötig“) politisch zur Zeit kaum durchsetzbar, wie die Einrichtung von Fixerstuben oder Teilnahme am Heroinprogramm (Orginalsoffvergabe).

-          die Formen der Zusammenarbeit derjenigen, die politisch und auf dem Gebiet der Drogenarbeit auch im Osten nach Alternativen suchen, sind gegen allen Unkenrufen doch allmählich gewachsen. Sie entspringen mitunter zufälligen oder persönlich begründeten Kontakten, entstanden durch Weiterbildungsveranstaltungen oder projektbezogener Zusammenarbeit, haben politische, kirchliche oder verbandliche (AKZEPT) Wurzeln. Da viele Aktive in ihren je eigenen Arbeitsfeldern stark beansprucht werden, fehlt ihnen oft Zeit, Schwung und Lust fehlen, um in überregionalen Strukturen mit zusätzlichen Aufwand zu investieren. Im Aufbau netzwerkähnlicher Zusammenarbeit sind wir nach wie vor Entwicklungsgebiet. Hierbei zeigt sich nicht allein eine Schere zwischen Ost und West; auch die drei Ebenen praktische Drogenarbeit, politisches Engagement und kulturelle Integration müssen stärker zueinander gebracht werden, m.E. gilt letzteres bundesweit.

 

 

„Zwischen den Zeiten, denkt sie, ist zwielichtiges Gelände, in dem verirrt man sich leicht und geht auf geheimnisvolle Weise verloren. Das schreckt mich nicht. Das Leben ist uns doch aus der Hand genommen.

Ich muss nicht immer da sein.“[21]

 

UND?

 

-          auch in der DDR gab es eine Sehnsucht nach Grenzüberschreitung, Transzendenz, Rausch und Erfahrungen veränderter Bewusstseinszustände. Weder das Schwergewicht moralisierend aufgeladener materialistischer Propaganda noch der Versuch umfassender Kontrolle konnten daran etwas ändern. Den Wunsch nach Betäubung erfüllten sich viele mittels Wismutfusel, Altenburger Klaren oder russischen Wodka; andere verloren sich im Doppelspiel schizophrener Rollen, andere tauchten nach Feierabend visuell und mental per Antenne in den Westen ab. Andere suchten Tiefe und Erweiterung in Kunst, Kirche und/oder Opposition. Kulturelle Identität, spirituelle Suche und politische Aktivität flossen nicht selten ineinander: ein Impuls, der gerade für eine drogenpolitische Opposition m.E. nicht unwesentlich ist. Und wieder andere experimentierten mit Rauschmitteln. Das Bedürfnis des Menschen nach Nutzung psychoaktiver Möglichkeiten besteht also unabhängig davon, ob nun genau dieses Bedürfnis in das offiziöse Weltbild der bestehenden Machtverhältnisse hineinpasst. Und da es, wie es eben nicht nur am ehemaligen Ostblock, sondern die gesamte Kulturgeschichte und auch aktuelle Diktaturen wie China, Iran und Malaysia belegen, Menschen sich zu allen Zeiten und in allen Situationen ihre Wege suchen, trotz ideologisch – moralischer Ächtung, trotz der Risiko von Strafe und Verfolgung – sich dieses Bedürfnis zu erfüllen[22], kann man vom Drogengebrauch wohl zu Recht von einem dem Menschen und seiner Kultur immanenten Größe sprechen.

-          der Staat hat demnach weder die Aufgabe noch das Recht, Drogengebrauch zu verhindern oder zu sanktionieren. Vielmehr gehört es zu seinen Pflichten, diesen Drogengebrauch zu steuern und so in die Gesellschaft zu integrieren, dass positive Effekte nutzbar und negative Folgen so weit als möglich vermieden werden. Eine Politik, die das Ziel einer drogenfreien Gesellschaft anstrebt, erliegt demnach nicht allein einer Illusion, sondern geradezu einem Wahn. Es werden hier moralische Wertzungen ideologisch überhöht und in Rechtsnormen gegossen. Die Parallelen der Politik der DDR, die dem Wahn einer klassenlosen Gesellschaft verfallen war, zur aktuellen Drogenpolitik – zumindest zu deren Hardliner – werden zu Unrecht ignoriert. „Rechtsstaatlichkeit ist für uns nicht identisch mit Einhaltung machtpolitisch motivierter Gesetze, sondern bedeutet, sich gegen jegliche Willkür der Mächtigen zu wenden“ – so die Erklärung der „Initiative Frieden und Menschenrechte“ zum Tag der Menschenrechte 1987 in Ostberlin.

-          die DDR war ein autoritärer Obrigkeitsstatt, der seinen Bürgern die Verantwortung für ihr eigenes Leben abnehmen wollte und dafür im Gegenzug (soziale und ordnungspolitische) Sicherheit versprochen hat. Mündigkeit und Selbstbestimmung waren unter diesen Prämissen schwer durchsetzbar. Doch auch die gegenwärtige Drogenpolitik will mündigen Bürgern die Entscheidungsverantwortung für ihre eigene Person einfach abnehmen, um sie angeblich vor sich selbst zu schützen. Einer Diktatur ist ein solches Politikverständnis immanent; in einer Demokratie ist es perspektivisch unannehmbar.

-          die SED hat eine Grenze errichtet, die zu überschreiten ein hohes Maß an Risiko bedeutet hat. Mit Sondergesetzen, Geheimdiensten, V-Leuten, Razzien, Staatsanwälten, Berufsverboten, Führerscheinentzug und nicht zuletzt massiver Propaganda hat sie versucht, die Wirklichkeit nicht zu akzeptieren, zu gestalten und mit ihr produktiv umzugehen,; vielmehr wollte sie sich eine Wirklichkeit nach ihrem eigenen Bild erzwingen...heute wird keine territoriale Grenze gesetzt; die Grenze bezieht sich auf unseren Umgang mit unseren Bewusstsein....Nicht das „Rauschgift“ gefährdet die Demokratie, sondern vielmehr die, welche angeblich das „Rauschgift“ bekämpfen. Der Krieg gegen die Drogen nimmt immer stärker in Theorie und Praxis totalitäre (ich weiß, dieser Begriff ist umstritten) Züge an. Dieses Gift ist für die Demokratie dann wirklich gefährlich. Mit Drogen kann eine demokratisch strukturierte Gesellschaft lernen umzugehen, mit dem Drogenkrieg nicht.

-          auf den Aspekt der Gefährdung der Menschenrechte und der Demokratie aufmerksam zu machen, wäre im Rahmen einer kritischen gesellschaftlichen Diskussion zur Drogenpolitik durchaus eine naheliegende Aufgabe für uns aus dem Osten...Nicht zufällig kommt die Initiative „drug amnesty 2002“, die sich ja bewusst als eine Menschenrechtsinitiative versteht, aus den neuen Bundesländern.

-          ein weiteres wesentliches Feld akzeptierender Drogenarbeit in den neuen Bundesländern sehe ich im Bereich der Prävention. Gerade aus der Negativerfahrung bevormundender Jugendarbeit können wir kompetent und selbstbewusst eigene Modelle einer Schadensprävention entwickeln, vertreten und praktizieren. Dabei ist nicht eine unbedingte Abstinenz, sondern auch ein bewusster und kontrollierter Umgang mit Drogen pädagogisches Lernziel. Politisch zielt dieses Prävention darauf, Drogengebrauch nicht länger zu kriminalisieren, sondern gesellschaftlich und kulturell zu integrieren, um so konkrete Gefahren von Drogengebrauch offensiv zu mindern. Dazu die bereits erwähnte Stellungnahme der Evangelischen Jugend Thüringen. „Die Jugendlichen sind nicht unsere Präventionsobjekte, sondern unsere Partner. Sie müssen spüren, dass sie ernst genommen werden und sich selbst, ihre Sicht und ihre Erfahrungen, einbringen können. Prävention ist ein wechselseitiger Prozess, der vor allem auf Dialog und gegenseitiges Zuhören angewiesen ist. Vertrauen bleibt das alles entscheidende Fundament, von dem aus präventives pädagogisches Handeln getragen werden muss. Zwang, Drohung oder Einschüchterung entziehen einer wirklichen Prävention die Grundlage!“[23] Deutlich gesagt: Prävention ist keine Propaganda. Wirkliche Risiken und Nebenwirkungen von Rauschmitteln können nur dann verdeutlicht werden, wenn die Gesamtprävention glaubhaft ist.

-          .“ Jemand klopft an, er will Gutes tun, ganz ohne Frage, aber es wird nicht aufgemacht, der andere verschließt sich; da bricht er ein, reißt mit Gewalt die Widerstände nieder, setzt sich gegen den Willen des anderen durch und verwirklicht sein Programm, autoritär, diktatorisch, ideologisch. Denn er weiß ja, “was der andere braucht”. Mag sein, er weiß es wirklich, und es kann trotzdem für den anderen falsch sein. Es ist wie wenn man Blumen, die einem nicht rasch genug wachsen, so lange zupft, bis ihnen die Blütenblätter ausgerissen sind. Es ist, wie wenn jemand, der sich zu erkälten droht, mit einem Wärmeschal erstickt wird. Jede Veränderung eines Menschen, die außerhalb der Liebe stattfindet, ist ein Einbruch und ein Raub.“[24]

-          die Menschen in der DDR hatten nicht nur eine Kultur, sie lebten unzählig verschiedene Formen und Weisen von Kultur: Überlebenskulturen, Anpassungskulturen, Oppositionskulturen, Subkulturen und natürlich auch Drogenkulturen. Drogen sind, wie gesagt, vor allem eine Realität menschlichen (Zusammen)lebens und menschlicher Kultur. Die Frage nach dem Umgang mit Drogen erweist sich als ein Spiegel der Gesellschaft. Probleme mit Drogen liegen weniger an den Drogen als an unseren Umgang mit ihnen. Wollen wir die Probleme ändern, müssen wir unsere Wahrnehmung von Drogen, unseren Blick auf Drogen wandeln. Statt Drogen weiterhin vor allem als medizinisches, juristisches oder moralisches Problemzu bewerten, dürfen wir sie als kulturelles Phänomen ernstnehmen. Kulturelle Integration von Drogengebrauch und Drogengebraucher ist die Chance, die tatsächlichen Risiken dieser Mittel einzudämmen, anstatt sie wie bisher künstlich noch zu verstärken. Bei dieser kulturellen Aufgabe erkenne ich nun auch einen spezifischen Anteil von Menschen aus den „neuen Ländern“.

-          „Es entspricht dem Selbstverständnis der Initiative Frieden und Menschenrechte, neben Forderungen an Regierungen...noch nicht zugestandene so wahrzunehmen, als seien sie bereits zugestanden“[25]

-          Es gibt seit über 10 Jahren in den neuen Bundesländern akzeptierende Arbeit mit drogengebrauchenden Menschen; das bedeutet: wir haben weit mehr als diese 10 Jahre als Erfahrung einzubringen.

 

 

„Die Droge ist der Verbündete des Menschen im Kampf gegen die Maschine. Denn Drogen bedeuten Zeitgewinn für das Subjekt, Maschinen bedeuten Zeitverlust.“ (Heiner Müller)

 

„Gehen auf der Stelle hab ich nie gekonnt mir die Haut verbrannt, hab ich mich lang gesonnt

zeit für mich weine nicht ich behalte dein Gesicht singen auch Sirenen hinterm Horizont

Alles ist im Fließen alles ist im Gehen Sterne rasen auch wenn wir sie stehen sehn

Zeit für mich weine nicht ich behalte dein Gesicht und in der Erinnerung bleibt es lieb und schön

Abschied heißt doch auch Weitergehn Tränen hat die Trauer aber auch das Glück

Komm gut an nicht zurück Wandersmann komm gut an! – GEH! (Kurt Demmler für Renft)

 

 

 

 

 

 

Verwendete Quellen:

 

Presseerklärung der Evangelischen Jugend Thüringen vom 18. März 2002

Eugen Drewermann in „Was uns Zukunft gibt“

Erklärung der „Initiative Frieden und Menschenrechte“ zum Tag der Menschenrechte 1987 Grenzfall 11/12 87

Christa Wolfs „Kein Ort.Nirgens“

Aufklärungsbroschüre des Landesjugendringes Thüringen „Damit Stammtischparolen nicht siegen“ 2001

Flugblatt von Akzept Thüringen e.V. und den JUSOS Thüringen, ca. 1995

Ostthüringer Zeitung 28. Februar 2002

Thüringer Plan zur Suchtprävention, Suchtkrankenhilfe und Drogenbekämpfung

„Drogengebrauch im Sozialismus – der Konsum der Szene“ Arbeitsgruppe Kirsche Co Leipzig 1998

„Individuelle Verläufe beim Gebrauch illegaler Drogen – eine qualitative Studie“ von Sylvia Tismar

Erich Loest „Es geht seinen Gang oder Mühen in unserer Ebene“ 1979

„Tänzerinnen zwischen Himmel und Hölle“ Werner Pieper Verlag

„Balladen, Blues & Rocklegenden“ Rockbuch Verlag

Verfassungsschutzbericht 2000

Vortrag von Krystof Krajewski



[1] aus „Tänzerinnen zwischen Himmel und Hölle“ S. 226f.

[2] in Nikolai Ostrowskies Roman „Wie der Stahl gehärtet wurde“ begegnet die selbstdisziplinierte proletarische Lichtgestalt Pawel Kortschagin einer in den Westen emigrierten bürgerlichen Dame, die dem Kokain verfallen ist

[3] Alkoholismus und Medikamentenabhängigkeit waren zwar gesellschaftliche Realität , gehörten aber (verständlicherweise) mit zu den tabuisierten Themen. Erst in den Achtzigern wagten sich dann doch einige Regisseure daran, diese Wirklichkeit in einigen Fernsehfilmen darzustellen

[4] Etwas anders stellte sich die Situation für die Länder dar, die selbst Anbaugebiete hatten (z.B. im asiatischen Teil der Sowjetunion) oder als frequentierte Transitstrecke für den Schmuggel genutzt wurden (u.a. Ungarn und Polen).

[5] aus „Individuelle Verläufe beim Gebrauch illegaler Drogen – eine qualitative Studie“ von Sylvia Tismar S. 58

[6] aus Erich Loest „Es geht seinen Gang oder Mühen in unserer Ebene“ 1979

[7] „es gibt Feststellungen, dass Überdosen von Schlafmitteln als Ersatz für Haschischrausch benutzt werden“ Bericht aus Leipzig 1970 (zit. Nach Rauhut „Beat in der Grauzone“

[8] Dieser Umstand wurde - sehr zur Überraschung gelernter DDR-Bürger, die mit diesen Szenen keinen Kontakt hatten – zutreffend im Film „Sonnenallee“ dargestellt. Belege auch in „Drogengebrauch im Sozialismus – der Konsum in der Szene“ von der Arbeitsgruppe Kirsche Co Leipzig 1998

[9] auch hier Belege in „Drogengebrauch im Sozialismus – der Konsum der Szene“ Arbeitsgruppe Kirsche Co Leipzig 1998

[10] AGAS – Arbeitsgemeinschaft zur Abwehr von Suchtgefahren; entsprach im Profil dem westlichem Blauen Kreuz

[11] Für 1975 wurde die Zahl der Gebraucher bereits auf 25.000 geschätzt

[12] Selbst das 1992 herausgegebene überaus sachliche Buch von Gundula Barsch und Rolf Bergmann erhält den Titel: „Drogenboom im Osten?“

[13] Vergl. „Thüringer Plan zur Suchtprävention, Suchtkrankenhilfe und Drogenbekämpfung“, der bis in die Sprache hinein der Drogenkriegsmentalität huldigte. Kritische Einwände wurden von CDU- und SPD – Politikern gleichermaßen abgebügelt.

[14] Dabei ist u.a. NADIT (Netzwerk akzeptanzorientierter Drogenarbeit in Thüringen) zu nennen.

[15] Gundula Barsch hielt dort das Referat „Alter Wein in neue Schläuche – im Osten was Neues?!“ und es gab ein Workshop Ost.

[16] Flugblatt von Akzept Thüringen e.V. und den JUSOS Thüringen, ca. 1995

[17] Ostthüringer Zeitung 28. Februar 2002

[18] Presseerklärung der Evangelischen Jugend Thüringen vom 18. März 2002

[19] Im Kontrast dazu werden Straftaten im rechtsradikalen Kontext geradezu mild geahndet. Die Urteile gegen Täter des Rostocker Pogroms, bei dem es um Brandstiftung und versuchten Mord ging, ersparten den Angeklagten in den meisten Fällen das Gefängnis. Ebenfalls Bewährung erhielt ein Neonazi aus Berlin, bei dem ein Kleinkalibergewehr mit Zielfernrohr und Munition beschlagnahmt wurde. Zwei Jahre Haft erhielt ein weiterer militanter Neonazi, bei dem eine zündfähige Rohrbombe gefunden wurde. Er plante einen Sprengstoffanschlag gegen einen politischen Gegner (Vergl. Verfassungsschutzbericht 2000).

[20] vergl. auch die Aufklärungsbroschüre des Landesjugendringes Thüringen „Damit Stammtischparolen nicht siegen“ 2001

[21] Worte der Günderrode in Christa Wolfs Roman „Kein Ort.Nirgens“

[22] dies zeigt sich auch am Beispiel Schweden, wo parallel zur stark repressiven Drogenpolitik der Gebrauch von Schnüffelstoffen unter Jugendlichen zugenommen hat

[23] Presseerklärung der Evangelischen Jugend Thüringen vom 18. März 2002

[24] Eugen Drewermann in „Was uns Zukunft gibt“

[25] aus der Erklärung der „Initiative Frieden und Menschenrechte“ zum Tag der Menschenrechte 1987