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Anmerkungen zum Drogenbericht 2000

Zur Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit (Nr. 7 vom 26.04.2001)
"Riskante Konsummuster bei Jugendlichen nehmen zu":

Es ist begrüssenswert, dass das Bundesgesundheitsministrium dem Missbrauch der gesamtgesellschaftlich am meisten Schäden produzierenden Drogen, Alkohol und Nikotin, in Zukunft mehr Aufmerksamkeit widmen will:

"Eine einseitige Fixierung auf illegale Drogen übersieht die gravierenden sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen des Missbrauchs legaler Suchtstoffe."
Hier trägt der Gesetzgeber durch die Verbotspolitik insbesondere bei der verbreiteten Droge Cannabis eine erhebliche Mitschuld. Er suggeriert durch die Verbotspolitik, Alkohol und Nikotin seien harmloser als Cannabis, seien mithin gar keine Drogen. Eine Politik die sich allein darauf fixiert, Konsumenten zur gesetzeskonformen Auswahl der konsumierten Substanzen zu motivieren, darf sich nicht wundern, wenn die erhebliche Bedeutung des verantwortungsbeswussten Umgangs dabei ausser Augen gerät. Ziel muss sein, nicht den Konsum an sich sondern vor allem den schädlichen Konsum zu minimieren. Eine Kriminalisierung von Konsumenten ist dazu gänzlich ungeeignet, schon allein weil sie im Falle von Cannabis mehr psychische und soziale Probleme verursacht als der Konsum selbst, der ausserdem erfahrungsgemäss dadurch nicht verhindert wird.

Leider zitiert die Presseerklärung zum Bericht nur wenige Zahlen aus der noch unveröffentlichten Repräsentativerhebung 2000 zum aktuellen Cannabiskonsum, die einen direkten Vergleich mit den Zahlen von 1997 zuliessen (siehe IFT98).

"Bei den illegalen Drogen spielt Cannabiskonsum die Hauptrolle, über ein Viertel der Jugendlichen hat damit Erfahrungen, wobei es nur noch geringe Unterschiede in West- und Ostdeutschland gibt. Der Anteil der aktuellen Konsumenten liegt aber mit 13 % um 2 % niedriger als 1997."
Der Bericht erklärt nicht, auf welche Altersgruppe von "Jugendlichen" sich der Prozentsatz von 13 bzw. 15 Prozent "aktueller Konsumenten" konkret bezieht. Die Erhebung von 1997, die wie die Untersuchung von 2000 nur Personen zwischen 18 und 59 erfasste, fand in der Altersgruppe von 18-24 Jahren bundesweit die höchste Prävalenz des aktuellen Konsums. Die jährliche Prävalenz des Cannabiskonsums betrug in dieser Gruppe 13,2 Prozent (West) bzw. 6,9 Prozent (Ost), was einer Gesamtprävalenz des aktuellen Cannabiskonsums von etwa 12 Prozent im Jahre 1997 entspräche. Es ist ist nicht nachvollziehbar, wie Frau Caspers-Merk auf eine Prävalenz des aktuellen Konsums von 15 Prozent 1997 und damit auf eine zweiprozentige Abnahme von 1997 nach 2000 gekommen ist.
"Bei den Erwachsenen haben rund 20 % der Westdeutschen und 10 % der Ostdeutschen Cannabiserfahrung, es konsumieren aktuell etwa 6 % in den alten und 5 % in den neuen Bundesländern."
Nach der Erhebung von 1997 hatten 13,4 Prozent im Westen und 4,2 Prozent im Osten Cannabiserfahrung. Ein Anstieg auf rund 20 Prozent bzw. rund 10 Prozent entspricht einer Zunahme des Jemals-Konsums um die Hälfte im Westen und eine Verzweieinhalbfachung im Osten. Nach der Erhebung von 1997 waren 4,5 Prozent der untersuchten Westdeutschen und 2,3 Prozent der untersuchten Ostdeutschen aktuelle Cannabiskonsumenten. Ein Anstieg auf 6 bzw. 5 Prozent entspricht damit einer Zunahme des aktuellen Konsums um ein Drittel im Westen und mehr als eine Verdoppelung im Osten! Diese Zahlen machen deutlich, dass das Cannabisverbot nicht mehr geeignet ist, den Cannabiskonsum zu minimieren. Bei einer derartigen Zunahme des Konsums ist offensichtlich, dass der Staat bei weiten Teilen der Bevölkerung mit dieser Politik seine Glaubwürdigkeit verspielt hat und nur noch auf Unverständniss stösst.
"Wenn auch die Gruppe der täglichen Konsumenten klein ist, wird doch zunehmend von riskanten Konsummustern und Mischkonsum in den Einrichtungen der Jugend- und Drogenhilfe berichtet. Die Zahl derjenigen, die in Beratungsstellen betreut werden, ist gestiegen und beträgt etwa 20 % der behandelten Klienten in ambulanten Drogenberatungsstellen."
Tatsächlich ist Cannabiskonsum bei Besuchen in Drogenberatungsstellen nur sehr selten der Hauptgrund. Der Sucht- und Drogenbericht des Vorjahres nannte konkrete Zahlen:
"Cannabis war 1998 nach Alkohol und Tabak an dritter Stelle Anlass, Beratungs- und Behandlungsstellen aufzusuchen. Während die Substanz in vielen Fällen neben anderen Suchtstoffen gebraucht wurde, die von ihren Eigenschaften oder Gebrauchsmustern her riskanter sind, hat sich in den letzten Jahren auch die Zahl der Personen erhöht, bei denen Cannabis primärer Behandlungsanlass war. 4,5 % der Männer und 2,8 % der Frauen, die 1998 ihre Beratung und ambulante Behandlung aufgenommen haben, zählen zu dieser Gruppe, beenden allerdings ihre Behandlung auch nach relativ kurzer Zeit und - im Vergleich zu anderen Diagnosen - erfolgreich (Hauptdiagnose Cannabis insgesamt 2623 mal in ambulanter Behandlung, 117 mal in stationärer Behandlung in 1998). Die Mehrzahl der Personen mit primärem Cannabiskonsum ist deutlich weniger mit sozialen oder gesundheitlichen Problemen belastet als andere Klientengruppen in ambulanter oder stationärer Suchtbehandlung. Das Durchschnittsalter der Klienten sinkt, rd. die Hälfte der ambulant Betreuten lebt bei den Eltern und mehr als ¼ befinden sich noch in Berufs- oder Schulausbildung. Jeder 4. hat zusätzlich eine alkoholbezogene Diagnose und in einigen Fällen wurde Heroin genannt, das allerdings in der Regel nur in geringem Umfang gebraucht wurde."
Nachdem ein erheblicher Teil der Drogenberatungsbesucher noch bei den Eltern lebt, ist anzunehmen dass in vielen Fällen Besuche auch auf elterlichen Druck erfolgen, ohne dass deswegen eine psychische Abhängigkeit vorliegen muss. Dies gilt insbesondere, wenn Eltern erst durch polizeiliche Ermittlungen auf den Cannabiskonsum ihrer Söhne und Töchter aufmerksam gemacht werden. Die Illegalität und die damit verbundene Tabuisierung von Cannabis behindert einen offenen Umgang mit dem Konsum und führt oft zu einem gestörten Vertrauensverhältnis, das sich dann in Panikbesuchen bei Drogenberatungsstellen äussert ("Ist mein Sohn jetzt rauschgiftsüchtig?"). Im Jahre 1999 wurden immerhin über 20.000 Jugendliche zwischen 14 und 18 wegen Cannabis zum Gegenstand von polizeilichen Ermittlungsverfahren, zusätzlich zu einer noch viel höhereren Zahl von Erwachsenen.
"Der 1990 verabschiedete "Nationale Rauschgiftbekämpfungsplan" entspricht nicht den aktuellen Erkenntnissen der Forschung und Praxis der Suchtkrankenhilfe und ist einseitig auf illegale Drogen ausgerichtet."
Bereits im Jahr 1999 setzte das Bundesgesundheitsministerium eine aus namhaften Experten bestehende "Drogen- und Suchtkommission" ein, die Empfehlungen für die künftige Drogenpolitik ausarbeiten sollte. Bis heute hat das Bundesgesundheitsministerium die Empfehlungen dieser Kommission noch nicht veröffentlicht. Frau Caspers-Merk, wann ist endlich damit zu rechnen?
"Realistische glaubwürdige Präventions- und Behandlungskonzepte, die von der Lebenswirklichkeit der Menschen ausgehen und ihnen helfen, sind gefragt."
Genau hier krankt es bei der derzeitigen Politik. Über 90 Prozent der Cannabiskonsumenten sind nicht psychisch abhängig, zeigen keine problematischen Konsummuster und sind nicht behandlungsbedürftig. Das Cannabisverbot existiert nicht in einem sozialen Vakuum: So ist z.B. einerseits das Abhängigkeitspotenzial von Tabak deutlich höher, der Verkauf von Tabak selbt an 16jährige aber dennoch legal. Andererseits stellt Gesetzgeber Cannabis rechtlich mit Heroin auf eine Stufe, indem er selbst den Besitz zum eigenen Konsum mit fünf Jahren Haft bedroht. Die juristische Stellung von Cannabis hat mit der Lebenswirklichkeit wenig zu tun. Solche Missverhältnisse beschädigen die Glaubwürdigkeit des Staates bei der Präventionspolitik, mit Ergebnissen wie im Drogenbericht dokumentiert.

Mit Kriminalisierung wird weder problemfreien Konsumenten noch Problemkonsumenten geholfen. Strafverfolgung verursacht nur zusätzliche Schäden und verschwendet knappe Mittel die anderswo besser angelegt wären.

Bessere Prävention bei Jugendlichen geht nur mit mehr Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit, die durch das Totalverbot selbst für Erwachsene verloren gehen. Das Bundesgesundheitsministerium muss endlich handeln und einen Gesetzesentwurf zur Reform des Betäubungsmittelgesetzes ausarbeiten.


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