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Täschner und der Mythos "Amotivationssyndrom"

Beitrag von Dr. med. Franjo Grotenhermen (ACMED) im Forum des Deutschen Ärzteblatts am 15.04.2001

Herr Prof. Dr. Täschner greift in seinem Beitrag für diese Forum eines seiner Lieblingsthemen auf, das "amotivationale Syndrom": Er schreibt: "Das amotivationale Syndrom schließlich ist bei Cannabiskonsumenten häufig zu beobachten. Es stellt teilweise den Ausgangspunkt für den Haschischkonsum dar, aber auch sein Ergebnis. Motivationsfördernd für Leistungserbringer wirkt Haschisch jedenfalls nicht. Dies scheint unstrittig zu sein."

Doch, das ist strittig, wie insbesondere Ergebnisse kreukultureller Studien zeigen.

So wird Cannabis in Jamaika durchaus als Motivationssteigerer angesehen (Comitas et al. 1976). Arbeiter machen eine "Ganja"-Pause, so wie sie in Europa oder Nordamerika eine Kaffeepause einlegen. Eltern ermuntern ihre Kinder möglicherweise zum Cannabiskonsum, um ihre Schulleistungen zu verbessern. Studien in Gesellschaften mit traditionell starkem Cannabiskonsum wie Jamaika, Costa Rica und Griechenland werden im Allgemeinen als misslungener Versuch, ein Amotivationssyndrom nachzuweisen, interpretiert (Negrete 1988).

Wayne Hall, Wayne Hall, Leiter des National Drug and Alcohol Research Centre der Universität von Sydney, fasste im Rahmen eines Gutachtens zusammen: "Zusammenfassend betrachtet konnte nicht gezeigt werden, dass ein amotivationales Syndrom durch regelmäßigen Cannabiskonsum verursacht wird (WHO, 1997). Anstatt ein neues psychiatrisches Syndrom zu erfinden, könnte es angemessener sein, beeinträchtigte Motivation als ein Symptom zu betrachten, das eine Minderheit von chronischen Cannabiskonsumenten erfährt" (Hall 2001, vergl. auch: Hall 1994).

Im letzten Bericht der Weltgesundheitsorganisation (1997) heißt es zusammenfassend zum Amotivationalen Syndrom: "Obwohl es vernünftige Befunde aus Erfahrungsberichten gibt, dass starker Cannabiskonsum die Motivation beeinträchtigen kann, wurde ein Amotivationssyndrom bisher weder klar definiert, noch wurden ihre zentralen Wesensmerkmale klar von den Effekten einer anhaltenden Intoxikation bei chronischen, starken Cannabiskonsumenten unterschieden" (S. 18).

Der Begriff "amotivational syndrome" wurde von Smith (1968) geprägt, der damit einen Verlust des "Wunsches, zu arbeiten oder zu wetteifern" bei jungen chronischen Marihuanakonsumenten beschrieb und dies anhand von zwei Fallbeispielen erläuterte. In der Folgezeit gab es eine Anzahl weiterer Kasuistiken, die die Existenz eines Syndroms, bestehend aus Apathie, Lethargie und mangelnder Motivation bei chronischen Cannabiskonsumenten unterstützten (Campbell 1976, Kolansky und Moore 1971, McGlothin und West 1968). Mellinger et al. (1976) stellten bei College-Studenten fest, dass die Fähigkeit im College zu bleiben, gute Noten zu erzielen und Karriereziele zu formulieren, invers mit der Intensität des Marihuanakonsums korreliert war. Allerdings wurde das Konzept des "amotivtionalen Syndroms" bereits zu Beginn der siebziger Jahre in Frage gestellt. Beispielsweise konnten Hogan et al. (1970) und Mirin et al. (1971) die Existenz eines solchen Syndroms in den von ihnen untersuchten Kollektiven von Marihuanakonsumenten nicht bestätigen.

Es gibt nur wenige Studien, die versucht haben, die Häufigkeit eines amotivationalen Syndroms bei chronischen Cannabiskonsumenten zu bestimmen. So geben McGlothlin und West (1968) zwar an, dass amotivationale Persönlichkeitsmerkmale bei "zahlreichen" Marihuanakonsumenten entstehen, ohne allerdings Zahlen zu ihrer relativen Häufigkeit anzugeben. Smith und Seymour (1982) stellten dagegen fest, dass eine "solche Beeinträchtigung nur in einem sehr kleinen und anfälligen Segment jugendlicher Marihuanakonsumenten auftritt" (S. 69). Meeks (1982) stellte in einem US-amerikanischen Regierungsbericht des Department of Human Services and Health fest: "Es ist wichtig, dass wir ehrlich anerkennen, dass die übergroße Mehrheit der Heranwachsenden, die Marihuana konsumieren, keine Burnouts werden" (Meeks 1982, S. 41).

Bisher liegen nur zwei kontrollierte Studien zur Häufigkeit des amotivationalen Syndroms vor, die Studie von Halikas et al. (1982) für das US National Institute on Drug Abuse und die Studie von Duncan (1987) an Sportstudenten einer Einrichtung in Mitteleuropa. Halikas et al. (1982) führten eine Studie zur Lebenszeitprävalenz des Amotivationssyndroms in einer Gruppe von 97 chronischen Cannabiskonsumenten durch. Sie stellten den Teilnehmern eine ausführliche Frage, die dieses Syndroms charakterisieren soll. Drei der 97 Teilnehmer wurden identifiziert, irgendwann in ihrem Leben an einem solchen Syndrom gelitten zu haben. Zwei weitere antworteten ebenfalls positiv auf das angelegte Kriterium, wurden jedoch wegen des gleichzeitigen Vorliegens einer Depression ausgeschlossen. Daher beträgt die Lebenszeitprävalenz des Amotivationssyndroms ohne schwere Depression nach dieser Studie 3,1%, und unter Einschluss der beiden Depressiven 5,2%.

Die einzige Vergleichsstudie liegt von Duncan (1987) vor. Er befragte 237 Sportstudenten, die regelmäßig, gelegentlich oder nie Cannabis konsumierten, mittels Fragebogen nach Konsumgewohnheiten und Kriterien eines Amotivationssyndroms, wie sie von Halikas definiert worden waren. Von den 113 Befragten, die nie Cannabis konsumiert hatten, beantworteten 7 (6,2%) die Frage nach dem Amotivationssyndrom positiv, von den 67 gelegentlichen Konsumenten gaben 4 (6,3%) und von den 57 Konsumenten, die mindestens 30 Tage lang täglich geraucht hatten, gaben 3 (5,6%) eine positive Antwort auf die Frage. Der Autor stellte fest, dass es keinen Zusammenhang zwischen Marihuanakonsum und dem angelegten Kriterium für ein Amotivationssyndrom gebe und bezeichnet das Syndrom als einen "Mythos".

Dr. med. Franjo Grotenhermen
nova-Institut GmbH
Goldenbergstrasse 2
D-50354 Huerth

Literatur:
1. Campbell I. The amotivational syndrome and cannabis use with emphasis on the Canadian scene. Ann N Y Acad Sci 1976;282:33-36.
2. Comitas L. Cannabis and work in Jamaica: a refutation of the amotivational syndrome. Ann N Y Acad Sci 1976;282:24-32.
3. Duncan DF: Lifetime prevalence of "amotivational syndrome" among users and non-users of hashish. Psychol Addictive Behav 1987;1(2):114-119.
4. Halikas JA, Weller RA, Morse C, Shapiro T: Incidence and characteristics of amotivational syndrome, including associated findings, among chronic marijuana users. In: National Institute on Drug Abuse. Marijuana and youth: Clinical observations on motivation and learning. Rockville (Maryland): NIDA, 1982.
5. Hall W, Solowij N, Lemon J. The Health and Psychological Consequences of Cannabis Use. National Drug Strategy Monograph Series No. 25. Canberra: Australian Government Publishing Service, 1994.
6. Hall W. Gewohnheitsmäßiger Cannabiskonsum und Teilnahme am Straßenverkehr. In: nova-Institut: Cannabiskonsum und Fahreignung. Gutachterliche Stellungnahme des nova-Instituts zur Fahreignung von Cannabiskonsumenten sowie methodische Kritik an einem Gutachten von Prof. Werner Kannheiser vom 26. März 1999. Hürth: Nova-Institut, 2001.
7. Hogan R, Mankin D, Conway J, Fox S. Personality correlates of undergraduate marijuana use. J Consult Clin Psychol 1970;35(1):58-63.
8. Kolansky H, Moore WT. Effects of marihuana on adolescents and young adults. JAMA 1971;216(3):486-492.
9. McGlothlin WH, West LJ. The marijuana problem: An overview. Am J Psych 1968;125:1126-1134.
10. Meeks JE. Some clinical comments on chronic marijuana use in adolescent psychiatric patients. In: Marijuana and the youth: Clinical observations on motivation and learning. DHHS Publication No. ADM 82-1186. Washington DC: U.S. Governement Printing Office, 1982.
11. Mellinger GD, Somers RH, Davidson ST, Manheimer DI. The amotivational syndrome and the college student. Ann N Y Acad Sci 1976;282:37-55.
12. Mirin SM, Shapiro LM, Meyer RE, Pillard RC, Fisher S. Casual versus heavy use of marijuana: a redefinition of the marijuana problem. Am J Psychiatry 1971;127(9):1134-1140.
13. Negrete JC. What's happened to the cannabis debate? Br J Addict 1988:83(4):359-372.
14. Smith DE. Acute and chronic cannabis toxicity of marijuana. J Psychedelic Drugs 1968;2:37-47.
15. World Health Organization: Cannabis: a health perspective and research agenda. Genf: World Health Organization, Division of Mental Health and Substance Abuse, 1997.