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"Legalize it" als Jugendschutz

Die Schweiz erwägt als erstes Land Europas, den Haschischkonsum nicht mehr zu bestrafen

Von Felix Ruhl (Basel)

Der Forderung "Legalize it" wird die Schweiz wohl demnächst Folge leisten. Als erstes europäisches Land erwägt sie ernsthaft, den Konsum von Haschisch und Marihuana nicht mehr zu bestrafen.

Die drogenpolitisch seit je liberale Schweiz will diese Regelung in die Novelle des Betäubungsmittelgesetzes einfließen lassen und hat ihr Vorhaben vor der parlamentarischen Beratung bereits breit abgesichert.

Für Basel würde das neue Betäubungsmittelgesetz nicht viel mehr als die Zementierung der bisherigen Praxis bedeuten, sagen Flavio und Erik, die einen Hanfladen in der Innenstadt, gleich neben dem Finanzamt, betreiben. Ihren vollen Namen und den ihres Geschäfts wollen sie nicht genannt wissen, weil die französischen Behörden womöglich Ärger machen würden.

Die benachbarten Zöllner stehen der Basler Freizügigkeit nämlich höchst kritisch gegenüber. Offenbar gelangt über die Nachbarstadt im Dreiländereck einiger Stoff zum Weiterverkauf ins restriktive Frankreich und auch nach Deutschland. In Basel jedoch spricht sich selbst der Vorsteher des Polizeidepartements mehr oder weniger offen für die Tolerierung von Hasch und Marihuana aus. Nur einmal, erzählen Flavio und Erik, habe es bei ihnen eine Razzia gegeben. Seitdem halten sie sich an die Spielregeln, die Ware nicht an Minderjährige und nicht an Grenzgänger zu verkaufen sowie keine Werbung für den Hanfverkauf zu machen. Ein Verfahren wegen des Vertriebs von Betäubungsmitteln läuft zwar seit anderthalb Jahren, scheint aber auf Eis gelegt zu sein.

In Basel haben schon vor fünf Jahren Drogerien die legendären "Duftkissen" verkauft, kopfkissengroße Stoffhüllen, die mit "Gras" gefüllt waren. Dass die Kundschaft den Inhalt der Kissen zu Joints formte, entzog sich dem Einfluss der Händler. Später gelangten getrocknete Hanfblüten und "Duftsäggli" in den Verkauf. "Die Polizei hat das lange gar nicht mitbekommen", sagt Erik, "erst als die Presse darüber berichtete, kam es zu Razzien." Es hat sich aber eingespielt, dass die Basler Polizei den Handel mit Hanfprodukten toleriert. In Flavios und Eriks Laden liegen allerlei Hanfsorten portionsgerecht in den Regalen, dazu Rauchbehältnisse, Hanfbier,
Hanfwasser, einschlägige Literatur.

Nicht überall in der Schweiz ist die Polizei allerdings so tolerant wie in Basel, wo man auch tagsüber jederzeit mit einem Joint durch die Straßen gehen kann. Schon im benachbarten Aargau erleidet die Kifferszene immer wieder durch Beschlagnahmen Rückschläge. Auch in Zürich, das durch den moderaten Umgang mit der offenen Szene am Letten den Anstoß für eine Revision des staatlichen Umgangs mit Drogen gab, sind Razzien in Hanfläden keine Seltenheit. "Basel war da stets eine Insel", sagt Flavio.

Den Siegeszug des Hanfs in der Schweiz können die gelegentlichen Polizeiaktionen aber nicht mehr stoppen. Es zahlt sich aus, dass die Schweizer Drogenpolitik nach dem Vorbild der Niederlande die Probleme nicht ideologisch, sondern pragmatisch angegangen ist. Die offenen Drogenszenen in den Zentren wurden durch die Einrichtung von Fixerstuben deutlich verkleinert. Schwerabhängige erhalten seit einigen Jahren Heroin vom Arzt. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten. Das Volk hat in einem Referendum
vergangenes Jahr diese Praxis gebilligt.

Die Regierung will ihren Kurs nun fortsetzen. Das berühmte Vier-Säulen-Modell aus Repression, Prävention, Therapieund kontrollierter Abgabe hat sich schließlich bewährt. Das Prinzip, lieber die Sucht zu bekämpfen, als die Süchtigen strafrechtlich zu verfolgen, trifft heute in der Schweiz auf keinen nennenswerten Widerstand. Der Vorschlag der Regierung, in der alle großen Parteien vertreten sind, leichte Drogen zu legalisieren, wurde bereits mit den Kantonen abgestimmt, die sich mehrheitlich dafür ausgesprochen haben. Die Parteien im Nationalrat stehen mit Ausnahme der rechten Volkspartei (SVP) ebenso hinter dem Vorhaben. Im
Frühjahr nächsten Jahres soll das neue Betäubungsmittelgesetz durch die beiden Parlamentskammern gebracht werden.

Ziel ist es, den Konsum von Cannabis und seine "Vorbereitungshandlungen", also Erwerb und Besitz, zu entkriminalisieren. Ungeklärt ist bislang aber die Frage, wie der gesetzliche Umgang mit dem Anbau von Hanf definiert werden soll. Im Moment gelangt in der Schweiz das Opportunitätsprinzip zur Anwendung. Die Polizei drückt gegenüber den Hanfbauern zumeist beide Augen zu, obwohl der Anbau von THC-haltigem Hanf untersagt ist.

So konnte es geschehen, dass die Schweiz heute der Hauptproduzent von Hanf in Europa ist. Auf 200 Hektar Anbaufläche werden jährlich etwa 2000 Tonnen Hanf produziert, aus denen ungefähr 200 Tonnen Rauchwaren gefertigt werden. In den ländlichen Regionen, etwa im Oberwallis, ist der Hanfkonsum nie ganz zum Erliegen gekommen. Hanf stellte in der Schweiz des 19. Jahrhunderts ein nicht ganz unbeträchtliches Element der eidgenössischen Landwirtschaft dar.

Die Regierung betont, dass das neue Betäubungsmittelgesetz nicht das Ziel hat, Drogen zu verbreiten, sondern zu bekämpfen und für den Schutz der Jugend zu sorgen. Nur die Mittel sollen sich ändern: Pädagogik statt Polizei. Welch positive Auswirkungen das haben kann, lässt sich in den liberalen Metropolen beobachten, wo der Schwarzhandel für Shit und Gras schon weitgehend zum Erliegen gekommen ist. "In Basel besorgen sich das nur noch die Deutschen und Franzosen beim Straßendealer", sagt Erik.

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Copyright © Frankfurter Rundschau 2000
Dokument erstellt am 12.10.2000 um 21:10:20 Uhr
Erscheinungsdatum 13.10.2000