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Marihuana im Straßenverkehr

Wissenschaftliche Studie der Universität von Limburg, Maastricht 1994

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Studien zu Marihuana im Strassenverkehr

Haschisch und Marihuana gehören zu den weltweit meistverbreiteten illegalen Drogen. Es wundert daher nicht, daß im Rahmen der Diskussion über Sicherheit im Straßenverkehr die Auswirkung von Marihuana auf die Fahrtüchtigkeit von besonderem Interesse ist.

Erstaunlicherweise existieren nur wenige Studien zu diesem Thema. Untersuchungen zur Wirkung von Cannabis auf das Fahrverhalten fanden bisher weitgehend unter isolierten Laborbedingungen statt und ließen kaum Rückschlüsse auf das konkrete Fahrverhalten im Straßenverkehr zu. Auch statistische Erhebungen auf der Basis von Unfallstatistiken oder Stichproben bei verkehrsauffälligen Fahrern ergaben nur unter Vorbehalt nutzbares Datenmaterial, da zwar bei vier bis zwölf Prozent der überprüften Fahrer der rauscherzeugende Wirkstoff THC in den Blutproben vorhanden war, diese jedoch häufig zusätzlich Alkohol, Medikamente oder andere Drogen zu sich genommen hatten.

Pilotstudie

Auf diesem Hintergrund ist die Dissertation von Hindrik W..J. Robbe, Maastricht 1994, sehr aufschlußreich. Robbe entwickelte eine Testreihe, um die Wirkung des Marihuanarauchens auf die tatsächliche Fahrleistung zu untersuchen. Die Studie wurde unterstützt vom ,,National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) of the U.S. Department of Transportation (DOT)" und vom holländischen Verkehrsministerium, Bereich Verkehrssicherheit. Um der Realität möglichst nahe zu kommen, wurde in einer Laborstudie ermittelt, welche Menge an THC von den freiwilligen Testpersonen im Durchschnitt aufgenommen wird, um den gewünschten Rauscheffekt, das ,,High"-Sein, zu erreichen. Da die 24 Versuchs-personen Marihuana gewöhnlich in Form von Zigaretten rauchten, wurde diese Anwendung als
Grundlage gewählt. Die Versuchspersonen durften unter ärztlicher Kontrolle innerhalb von 15 Minuten bis zu drei exakt genormten Marihuanazigaretten rauchen. Daraufhin wurden die verbleibenden Zigarettenreste auf ihren THC-Gehalt geprüft und die von der jeweiligen Versuchsperson inhalierte Menge an THC ermittelt.
Die so ermittelte durchschnittliche Dosis von 300 Mikrogramm (ein millionstel Gramm) THC pro Kilogramm Körpergewicht lag deutlich höher als die zuvor in Laborstudien verwendeten Dosierungen. Ausgehend von dieser Menge als Maximaldosierung wurden bei den Tests Dosierungen von 0, 100, 200 und 300 Mikrogramm THC pro Kilogramm verabreicht und in Doppelblind-Versuchsreihen auf ihre Auswirkung hin getestet.

Fahrstudien

Die Fahrversuche waren so angelegt, daß sie stufenweise den reellen Anforderungen im Straßenverkehr angepaßt wurden. Nach einem Labor-test fanden drei Fahrtests statt, erst auf einem abgesperrten Autobahnstück, dann auf einer Autobahnstrecke mit Normalverkehr und schließlich in dichtem Stadtverkehr. Hauptziel der Untersuchung war es, zu bestimmen, wie THC bei Steigerung der Dosis die Fahrtüchtigkeit beeinflußt und wie sich dies auf die Verkehrssicherheit auswirkt.
Als Meßmethoden wurden verschiedene Standardtests verwendet, wie das Einhalten bestimmter Abstände und Geschwindigkeiten und das Reaktionsverhalten bei plötzlicher Geschwindig-keitsveränderung des voranfahrenden Fahrzeuges. Zusätzlich fanden regelmäßig vor und nach den Tests Blutplasmauntersuchungen zur Bestimmung des THC-Gehaltes sowie die Überprüfung der Hand- und Körperbeherrschung statt, um festzustellen, ob sich dadurch die Fahrtüchtigkeit voraussagen läßt. Dabei zeigte sich, daß weder durch Blut- noch durch die sogenannten Nüchternheitstests die Veränderung der tatsächlichen Fahrleistung unter Einfluß von THC voraussagbar sind, diese Instrumente also nicht zur ausschließlichen Kontrolle der Fahrtüchtigkeit in der Praxis verwendet werden können.

Ergebnisse

Die Standardtests zeigten sowohl im Labor als auch auf der Straße einen im Vergleich zu Placebos deutlichen Einfluß der Droge, der aber selbst bei einer Dosis von 300 Mikrogramm THC pro Kilogramm Körpergewicht in keiner Weise als dramatisch zu bezeichnen war, sondern Effekten entsprach, die von einigen Medikamenten her bekannt sind und verglichen mit den Auswirkungen von Alkohol unter dem Grenzwert von 0,8 Promille liegen.

In Bezug auf das Verhältnis von Höhe der Dosierung zur Fahrleistung wurden überraschend unterschiedliche Effekte bei den verschiedenen Tests
festgestellt. Während der Standardtest zur Abwei-chung vom Mittelstreifen, der stark durch unterbewußte Informationsverar-beitung gesteuert wird, eine zunehmende Verschlechterung bei Erhöhung der Dosis zeigte, fielen komplexere Tests, die stärker von willentlicher Aufmerksamkeit und
Fahrerfahrung geprägt waren, mit umgekehrten Ergebnissen auf: niedrigere Dosen zeigten stärkeren Einfluß der Drogenwirkung als höhere. Dieses Ergebnis steht im Gegensatz zu Labortests, in denen THC in höherer Dosierung die Fahrtüchtigkeit stärker herabsetzte als in niedrigerer.

Das scheinbare Paradoxon erklärt Robbe mit einem psychologischen Phänomen. Fahrer unter Einfluß von Marihuana tendieren dazu, ihre Fahrfähigkeit als sehr gering einzuschätzen. Als Folge dieser Selbsteinschätzung kompensieren sie die vermeintliche oder tatsächliche Verminderung der Fahrtüchtigkeit durch gesteigerte Aufmerksamkeit, Reduzierung des Tempos und größere Abstände zu den anderen Fahrzeugen. Eine Kon-trollstudie mit Fahrern unter vergleichbarem Einfluß von Alkohol zeigte dagegen in der gleichen Situation Selbstüberschätzung und mangelndes Kompensationsverhalten. Die unterschiedlichen Reaktionsweisen bei etwa gleicher Intoxikation deuten darauf hin, daß qualitative Unterschiede in der Wirkung der verschiedenen Drogen maßgeblich die Fahrtüchtigkeit beeinflussen. So ist die
Rauschwirkung bei Marihuana zum Beispiel durch Autosuggestion beeinflußbar; eine erhöhte Selbstkontrolle kann somit störende Nebeneffekte des Rausches unter normalen Umständen regulieren. Inwieweit dies auch für außergewöhnliche Situationen zutrifft, wurde bislang nicht untersucht. Teilergebnisse der Studie deuten
darauf hin, daß unter stärkeren Belastungenbestimmte Kompensationsleistungen nicht mehr erbracht werden können. Dazu zählen Situationen, die eine zu geringe Aufmerksamkeit beanspruchen, wie etwa längeres monotones Fahren, oder Situationen, die ,,geteilte Aufmerksamkeit" des Fahrers fordern oder die Überraschungsmomente beinhalten. Aus diesen Gründen wurde der Fahrversuch im dichten Stadtverkehr als Vorsichtsmaßnahme nur mit der niedrigeren Dosierung von 100 Mikrogramm THC pro Kilogramm durchgeführt.  Das positive Ergebnis dieses Tests legt jedoch nahe, daß auch Fahrtests im Stadtverkehr mit höherer THC-Dosierung ohne unkalkulierbares Risiko vorgenommen werden können.

Die Standardtests haben gezeigt, daß die Fahrtüchtigkeit durch den Konsum von Marihuana weniger beeinträchtigt ist, als bislang angenommen. Zukünftige Studien zum Thema Marihuana im Straßenverkehr sollten aber auf Situationen ausgeweitet werden, in denen die Aufmerksamkeit des Fahrers besonders beansprucht wird, um zu sehen, wie sich Stress oder Ablenkung auf das Fahrverhalten auswirken. Sinnvoll erscheint auch, die Wechselwirkung von Marihuana mit Alkohol, Medikamenten oder anderen Drogen zu erforschen, da der Verdacht besteht, daß Wechselwirkungen der Substanzen sich besonders negativ auf das Fahrverhalten auswirken.

Drogen am Steuer - Wie wird die Praxis aussehen?

In der 24. Kalenderwoche hat die Bundesregierung den Entwurf des Verkehrsministeriums gebilligt: Wer unter dem Einfluß von Drogen Auto oder
Motorrad fährt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem bis zu dreimonatigen Fahrverbot und einem Bußgeld von bis zu 3.000 Mark geahndet werden kann. Sobald Bundestag und Bundesrat dem nun offiziellen Entwurf der Bundesregierung zustimmen, bekommt dieser Gesetzeskraft. Wie aber wird die Praxis aussehen? Laut der zuständigen Mitarbeiterin des Verkehrsministeriums, Frau Reif, soll anhand eines Bluttests ermittelt werden, ob die betreffende Person unter dem Einfluß von Drogen steht. Eine Anlage zum Gesetzesentwurf enthält die Liste der berauschenden Mittel (zum Beispiel Haschisch/Marihuana) und der Sub-stanzen, die im Blut nachgewiesen werden müssen. Laut Frau Reif können die in der Liste aufgeführten Substanzen nur wenige Stunden nach der Einnah-me der entsprechenden Droge im Blut nachgewiesen werden. Bei THC liegt die Nachweiszeit bei etwa zwei bis drei Stunden (vergleiche Graphik). Auf diese Weise wurde das Problem umgangen, daß in den meisten Fällen wirkliche Grenzwerte wissenschaftlich nicht festlegbar sind. So gibt es zum Beispiel bei Haschisch/Marihuana keine meßbare Substanz, deren Nachweis mit dem akuten Rauschzustand korelliert. In der Praxis bedeutet das anvisierte Gesetz für Marihuanaraucher, daß sie zwei bis drei Stunden vor ihrer Auto- oder Motorradfahrt keinen Joint mehr rauchen dürfen. Eine Regelung, die in ihren Folgen etwa mit der Promilleregelung beim Alkohol zu vergleichen ist.
Die zur Überprüfung notwendigen Blutuntersuchungen dürfen, laut Frau Reif, zudem nur dann durchgeführt werden, wenn ein Verdacht auf Drogeneinnahme besteht, der sich in einer Auffälligkeit im Straßenverkehr oder Verhaltensauffälligkeiten der Person zeigen kann. Ob der in den Medien oft erwähnte, neuentwickelte Drogendetektor, der auch geringe Spuren von Drogen an den Händen feststellen kann, zukünftig bei Straßen-verkehrskontrollen eingesetzt werden wird, ist offen. Das Gerät, was in erster Linie beim Zoll zum Einsatz kommen soll, macht im Zusammenhang einer Überprüfung der Fahrtüchtigkeit wenig Sinn, da es nicht nachweisen kann, ob der Fahrer unter dem Einfluß von Drogen steht. Der Drogendetektor kann lediglich zusammen mit anderen  Indizien den Verdacht begründen, daß der Fahrer tatsächlich unter Drogeneinfluß steht und ein Bluttest erforderlich ist. Die Entscheidung über den Einsatz des Drogendetektors liegt bei den Innenministern der einzelnen Bundesländer, so daß es hier vermutlich zu unterschiedlichen Handhabungen kommen wird. Außerdem ist ein Gerät in der Entwicklung, das die Pupillenreaktion des Auges unter Einfluß von Drogen mißt und zukünftig eine ähnliche Rolle wie das ,,Pusteröhrchen" beim Alkoholtest spielen könnte.

Michael Karus und Jutta Millich
(nova-Institut)

Verweise:
 Literatur: - H.W.J. Robbe, Influence of Marijuana on Driving, Institute for Human Psychopharmacology, University of Limburg, Maastricht 1994,CIP-DATA, Den Haag (ISBN 90-5147-023-1)
- H.W.J. Robbe, Marijuana use and driving, Journal of the International Hemp Association (IHA), Vol. 1, No. 2, Dec. 1994 (zu beziehen über nova-Institut)

Orginaltext hier: http://www.hanfmedien.de/hanf/archiv/artikel/367/


Weitere Informationen zum Thema Cannabis und Autofahren:

Cannabis und Führerschein
Informationen zur derzeitigen Rechtslage.

Drogen im Straßenverkehr: Eine Anhörung von Stephan Quensel. Dieser Text bespricht ausführlich die Ergebnisse von zahlreichen Studien, anhand der sich die tatsächlichen Risiken von Cannabis im Strassenverkehr abschätzen lassen. Empfohlen!

Der Bund (Schweiz) am 08.09.2000:

Urs Gerhard von der Psychiatrischen Universitätsklinik Basel: «Unter Cannabis gibt es keine erhöhte Unfallgefährdung. Es kann höchstens die gefährlichere Wirkung von Alkohol noch verstärken.»

Anwaltskanzlei Hettenbach zu Cannabis nicht nur im Strassenverkehr.

Main-Echo 21.04.99: Wie gefährlich sind Fahrten unter Drogen? Wissenschaftler wissen bislang wenig.