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CannabisLegalNews (Nummer 127, 26.09.2003)Ein wöchentlicher Service von cannabislegal.de"Steter Tropfen höhlt den Stein" Kontakt: info@cannabislegal.de INHALT
1. Schweiz: Keine Cannabisreform vor den Nationalratswahlen
1. Schweiz: Keine Cannabisreform vor den Nationalratswahlen
Mit 96 gegen 89 Stimmen hat der Schweizer Nationalrat (die große Kammer des Schweizer Bundesparlaments) den Reformentwurf des Bundesrats (die Schweizer Bundesregierung) zu Cannabis nicht angenommen. Den bürgerlichen Parteien FDP und CVP war das Thema vor den Wahlen im Oktober zu riskant. Man wollte daraus kein Wahlkampfthema machen. Gegen die Reform stimmten im Abgeordentenhaus vor allem die rechtspopulistische SVP, die Mehrheit der christdemokratischen CVP sowie Abgeordneten der bürgerlichen Parteien aus der französischsprachigen Westschweiz. Kontrovers diskutiert wurde die geplante Cannabisreform bereits am ersten Tag der Beratungen im Nationalrat. Die Parteien brachten ihre bekannten Positionen vor:
Scharfe Opposition meldeten die Romandie und die SVP an. Laut Claude Ruey (LPS/VD) gibt es keine »unschuldigen« Drogen. Die Revision des Betäubungsmittelgesetzes sei unausgegoren, widersprüchlich und verlasse das Ziel der Abstinenz. Auch Diebstahl werde nicht liberalisiert.
Am folgenden Tag beschlossen die Abgeordneten dann die Nichtannahme. Nun geht der Entwurf zurück an die kleine Kammer, den Ständerat, der sich bereits vor zwei Jahren deutlich für das Gesetz ausgesprochen hatte. Erst dann - lange nach den Parlamentswahlen - geht es zurück an den Nationrat. Wann es doch noch zu einer Reform kommen kann, ist derzeit nicht absehbar. Es ist auch von den Sitzverhältnissen nach den Wahlen abhängig.
"Ich bin konsterniert über den Mangel an politischem Mut, der sich hier einmal mehr manifestiert", sagt Michel Graf, Direktor der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA), gegenüber swissinfo. Die SFA befürwortet die Entkriminalisierung des Cannabiskonsums.
Nationalrat beharrt auf Nulltoleranz beim Cannabis-Konsum [Yahoo News, 25.09.2003]
Das Kiffen spaltet die Politik [swissinfo (CH), 25.09.2003]
Bürgerliche Drogenpolitik: Hopfen und Malz verloren [SP/PS Pressemitteilung (CH), 25.09.2003]
Keine gemütliche Cannabis-Runde [NZZ (CH), 24.09.2003]
Straflosigkeit des "Kiffens" auf der Kippe [Zisch (CH), 24.09.2003]
Felix Gutzwiller (FDP) zur Drogenpolitik:
Cannabis in der Schweiz:
2. Berlin (I): FDP für Coffeeshops
Die FDP in Berlin will, dass sich der Senat auf Bundesebene für eine Streichung von Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz einsetzt. Ein entsprechender Antrag wurde am 12.09.2003 beschloßen. Weiterhin soll der Erwerb und Vertrieb von Cannabisprodukten gesetzlich geregelt werden. Die FDP verspricht sich davon eine Trennung der Märkte für Cannabis und andere Drogen und einen besseren Verbraucherschutz.
Sollte dieser Vorstoss auf Bundesebene keine Mehrheit finden, dann soll zunächst ein Modellversuch zur "kontrollierten Abgabe von Cannabisprodukten in lizenzierten Abgabestellen in Berlin" durchgeführt werden. Einen solchen Modellversuch hatten vor kurzem auch die Berliner Grünen vorgeschlagen (wir berichteten in CLN#124, 05.09.2003).
Des weiteren soll der Senat die Rechtspraxis bei "geringen Mengen" Cannabis so anpassen, dass der Besitz von bis zu 15 Gramm in Berlin nicht mehr strafrechtlich verfolgt wird. Die FDP fordert ausserdem ein neues Modell der Suchtprävention für Berlin.
Bereits 1997 beschloß der Landesverband Berlin der FDP eine Resolution, die die Legalisierung von Cannabis forderte.
Kiffen bald straffrei? [Berliner Kurier, 24.09.2003]
Vernünftiger Umgang mit Cannabiskonsum: Neuorientierung der Berliner Drogenpolitik [Adobe PDF]
Das niederländische Coffeeshop-Modell:
Berlin: Grüne fordern Modellversuch, 30g-Grenze [CLN#124, 05.09.2003]
FDP und Cannabis:
3. Berlin (II): Nur CDU gegen Cannabisliberalisierung
Vor einem Jahr warb die Berliner Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) bei ihren Amtskollegen in den anderen Bundesländern dafür, den Besitz von bis zu 15g Cannabis bundesweit straffrei zu stellen, doch die Minister aus Bayern, Baden-Württemberg und anderen Ländern waren dagegen. Bereits im Jahre 1994 hatte das Bundesverfassungsgericht eine "im wesentlichen einheitliche Einstellungspraxis" bei geringen Mengen Cannabis vorgeschrieben. Diese Vorschrift des obersten deutschen Gerichts ist bis heute nicht verwirklicht.
Dank Initiativen zweier Oppositionsparteien, der Grünen und der FDP, könnte es nun zumindest in Berlin zu einer Umsetzung des Vorschlags kommen und möglicherweise auch zu einem Modellversuch zur staatlich lizenzierten Abgabe an Erwachsene in der Bundeshauptstadt. Unter den fünf Fraktionen im Abgeordnetenhaus ist einzig und allein die CDU gegen eine Liberalisierung. Die anderen Parteien sind entweder für die Anhebung der "geringen Menge", bis zu der Verfahren eingestellt werden, auf entweder 15 oder 30 Gramm Cannabis. Die Regierungskoalition aus SPD und PDS hat sich noch nicht auf eine Mengenregelung geeinigt. In der SPD scheint man der 15g-Grenze den Vorzug zu geben.
Kiffen wird in Berlin straffrei [Berliner Zeitung, 25.09.2003]
Eine ganz große Koalition fürs Kiffen [Berliner Zeitung, 25.09.2003]
Berliner Justizsenatorin fordert Straffreiheit bis 15g [CLN#83, 01.11.2002]
Justizminister verschieben Vereinheitlichung auf 2004 [CLN#85, 15.11.2002]
Ungleiche Rechtspraxis in den Bundesländern bei geringen Mengen (§ 31a BtMG)
4. Berlin (III): Caspers-Merk kritisiert Berliner Reformpläne
Bei einem Besuch in einem Drogenhilfsprojekt für Jugendliche hat die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk (SPD), scharfe Kritik an den Plänen von vier der fünf im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Fraktionen geübt.
Frau Caspers-Merk hat eine klare Meinung. Sie hält den Vorschlag für "wenig durchdacht", gerade jetzt, wo der Cannabis-Konsum unter Jugendlichen stark ansteige. "Straffreiheit wäre die falsche Botschaft", sagt sie. "Man kann doch nicht sagen: Die Konsumentenzahlen sind gestiegen, deswegen mache ich nichts. Was ist denn das für eine Haltung?" Die Diskussion über die Freigabe von Cannabis dürfe nicht von 40-Jährigen geführt werden, "die sich früher zu Zehnt einen Joint geteilt haben. Heute sieht das anders aus".
Wohlgemerkt, der Anstieg des Cannabiskonsums unter Jugendlichen, vor dem die Drogenbeauftragte warnt, ist unter der bisherigen Politik der Bundesregierung erfolgt, an der sie ja festhalten will. Frau Caspers-Merk unterstellt den Reformern, "nichts" tun zu wollen, dabei ist das von ihr so vehement verteidigte Cannabisverbot bestenfalls wirkungslos, schlimmstenfalls sogar kontraproduktiv. Für die steuerlichen Mittel, die fast 140.000 Ermittlungsverfahren gegen Cannabiskonsumenten alljährlich verschlingen, gäbe es viel sinnvollere Verwendungsmöglichkeiten, bessere Aufklärung etwa oder Hilfsangebote für Jugendliche mit psychosozialen Problemen. Problematische Cannabiskonsummuster sind in erster Linie ein Symptom für andere Probleme, z.B. in der Familie oder der Persönlichkeitsentwicklung, bei denen man zuerst ansetzen muss, wenn man dauerhaft helfen will.
Nebenbei bemerkt, die Drogenbeauftragte und der Geschäftsführer scheinen sich nicht einig zu sein, wie wirksam Cannabis vor zwanzig Jahren war. Wenn damals wirklich ein Joint für 10 Leute reichte und Cannabis seitdem um ein Viertel an Wirkstoff zugelegt hat, müßte ein Joint heute statistisch für 12,5 Personen reichen. Tatsächlich liegt bei Cannabisharz (Haschisch) laut Bundeskriminalamt der am häufigsten vorkommende Wirkstoffgehalt bei etwa 8 Prozent, ein Wert, der sich seit Jahren nicht wesentlich geändert hat.
Niemand behauptet, Alkohol im Wein sei "eine andere Droge" als Alkohol im Bier, nur weil Wein das Dreifache (d.h. 200% mehr) an Alkohol enthält als Bier: Dafür sind ja auch Weingläser kleiner als Masskrüge. Tatsächlich kann bei Cannabis ein höherer Wirkstoffgehalt die Risiken sogar verringen, weil damit die selbe Wirkung mit weniger Rauch und somit weniger Lungenbelastung erzielt wird.
Die in der Schweiz geplante Cannabisreform wurde im übrigen von der Eidgenössischen Kommission für Drogenfragen, einer Expertenkommission unter Vorsitz des Mediziners Felix Gutzwiller sowie von der Schweizer Fachstelle für Alkohol und andere Drogenprobleme (SFA/ISPA) unterstützt. In Deutschland hat sich der Fachverband Drogen- und Rauschmittel für eine Entkriminalisierung ausgesprochen.
Rund 85% der aktuellen Cannabiskonsumenten in Deutschland sind volljährige Menschen. Dass Politiker immer wieder Kinder und Jugendliche vorschieben, wenn es um den rechtlichen Status Cannabis geht, zeigt wie unhaltbar die derzeitige rechtliche Position bei Erwachsenen geworden ist. Wenn Cannabiskonsum von Jugendlichen trotz des bestehenden strafrechtlichen Verbots eine ausreichende Begründung für die Strafverfolgung von Erwachsenen darstellen würde, die Cannabis konsumieren, dann müßte Frau Caspers-Merk nach ihrem Besuch bei den auch Alkohol missbrauchenden Jugendlichen konsequenterweise ebenso für ein Verbot von Wein für Erwachsene eintreten. Wir bezweifeln, dass sie sich damit in ihrem südbadischen Wahlkreis sehr beliebt machen würde.
Viel Kritik für die große Kiffer-Koalition [Berliner Zeitung, 26.09.2003]
Wirkstoffgehalt von Haschisch und Marihuana:
Das Cannabisverbot behindert den Jugendschutz:
Revision des Betäubungsmittelgesetzes: SFA für Strafbefreiung des Drogenkonsums
http://www.cannabislegal.de/international/ch-sfa-ispa
Suchtexperte für Entkriminalisierung von Cannabis [CLN#67, 21.06.2002]
Fachverband Drogen- und Rauschmittel für Entkriminalisierung [CLN#10a, 12.05.2001]
Marion Caspers-Merk, Drogenbeauftragte:
Marion Caspers-Merk beim Verteilen von Drogen ;-) [Foto, caspers-merk.de]
5. Italien: Regierung will mehr Repression gegen Konsumenten
Der italienische Vizepremier Gianfranco Fini von der Nationalen Allianz hat angekündigt, dass die Regierung das Drogengesetz verschärfen will. Vor allem Konsumenten sollen künftig wieder stärker bestraft werden. Der Besitz sehr geringer Mengen Cannabis ist in Italien keine Straftat sondern eine Ordnungswidrigkeit. Nun spricht die Regierung von einer "180-Grad-Wende" und will zurück zu "Null Toleranz", wie vor drei Jahrzehnten.
Im Jahre 1975 wurde Drogenkonsum in Italien per Gesetzesänderung entkriminalisiert. 1990 wurde diese Entkriminalisierung wieder aufgehoben. Drei Jahre später, im Jahre 1993 setzte sich eine erneute Entkriminaliserung von Cannabis bei einer Volksabstimmung mit einer Mehrheit von 52% durch.
In Italien setzt sich besonders die Radikale Partei seit vielen Jahren für die Legalisierung von Cannabis ein. Ihre Abgeordneten im EU-Parlament arbeiten mit Reformern in anderen Ländern für eine Beendigung der Drogenprohibition.
Der ehemalige Unterstaatssekretär im Justizministerium, Franco Corleone, hat die repressive Wende der Regierung kritisiert und angekündigt, einen Gegenentwurf ins Parlament einzubringen, der Drogenkonsum generell entkriminalisieren soll.
Italien will Drogengesetz verschärfen [Titol Online, 22.09.2003]
Wien: UN-Drogenpolitik am Scheideweg [CLN#105, 11.04.2003]
Cannabis in Italien:
6. BMJ: "Kein negativer Einfluß auf öffentliche Gesundheit"
Im Mai erschien in der medizinischen Fachzeitschrift "British Medical Journal" ein Artikel, der nahelegte, Cannabis könne ähnlich gesundheitsschädlich sein wie Tabak (wir berichteten in CLN#109, 09.05.2003). Ein Leitartikel in der aktuellen Ausgabe setzt sich kritisch mit jenem Artikel auseinander.
Stephen Sidney, Leiter der klinischen Forschung von Kaiser Permanente, einer der größten gemeinnützigen Krankenkassen in den USA mit 8,1 Millionen Mitgliedern kommt zu dem Schluß, dass bisher keine erhöhte Sterblichkeit durch Cannabis nachgewiesen ist. Er weist darauf hin, dass Cannabiskonsumenten erheblich weniger Cannabis konsumieren als Tabakraucher und dass sie den Konsum mehrheitlich nach einigen Jahren einstellen. Zwei der größten Studien, in Kalifornien und Schweden, fanden keine Unterschiede in der Sterblichkeitsrate von Konsumenten und Nichtkonsumenten von Cannabis.
Sidney läßt die Möglichkeit offen, dass eine Entkriminalisierung oder Legalisierung zu einer längeren Konsumphase und damit mehr langfristigen Schäden führen könnte. Aus den Niederlanden sind jedoch keine Zahlen bekannt, die diese Hypothese unterstützen. Sidney berücksichtig auch nicht, dass eine Legalisierung viele gesundheitliche Risiken vermeiden oder vermindern würde. Legales Cannabis in niederländischen Apotheken hat 15 bzw. 18% THC und ist damit zwei bis dreimal so wirksam als Cannabis mittlerer bis guter Qualität in Deutschland. Je höher der Wirkstoffgehalt, desto weniger Rauch muss inhaliert werden, um eine gewünschte Wirkung zu erreichen. Eine Legalisierung würde eine bessere gesundheitliche Aufklärung der Konsumenten ermöglichen und den Wechsel zu weniger riskanten Konsumformen erleichtern.
Comparing cannabis with tobacco - again [BMJ 2003;327:635-636, 20.09.2003]
British Medical Journal vergleicht Cannabis mit Tabak [CLN#109, 09.05.2003]
7. USA: Cannabis und Koffein in Seattle
Bei einer Volksabstimmung in Seattle im US-Bundesstaat Washington stimmten am vergangenen Dienstag (16.09.) 58% der Wähler für "Initiative 75", einen Vorschlag, nach dem die Polizei der Verfolgung von Cannabisbesitz zum persönlichen Gebrauch durch Erwachsene unter allen ihren Aufgaben die niedrigste Priorität einräumen soll.
Bei der selben Volksabstimmung fand eine Sondersteuer auf Espresso-Getränke, aus der Vorschulprogramme finanziert werden sollten, keine Mehrheit. Espressogetränke sind in Seattle, dem Stammsitz von Starbucks und anderen grossen Kaffee-Röstern, sehr beliebt.
Das alljährliche "Hempfest" in Seattle, das von der selben Gruppe organisiert wurde wie "Initiative 75", ist die größte Legalisierungsveranstaltung in den USA. Der Abstimmungserfolg bei Cannabis kam trotz eines Besuchs des "Drogenzaren" der US-Bundesregierung, John Walters, der kurz vor der Abstimmung extra nach Seattle flog, um Stimmung gegen die Cannabis-Initiative zu machen.
Auf den Besitz von bis zu 40g Cannabis steht in Washington eine Strafe von bis zu 90 Tagen Haft und bis zu 1000 Dollar Geldstrafe. Selbst nicht Vorbestrafte müssen mindestens 24 Stunden ins Gefängnis und die niedrigste Geldstrafe, die ein Richter verhängen darf, beträgt 250 Dollar. Nur zwei Autostunden nördlich von Seattle, in der kanadischen Provinz British Columbia, ist der Besitz geringer Mengen von Cannabis aufgrund einer Gerichtsentscheidung seit Anfang des Monats legal.
Seattle Voters Tell Police to Make Marijuana Possession Lowest Priority [Drug War Chronicle #303, 19.09.2003]
Initiative 75 - Homepage:
Cannabis in den USA:
8. Termine zu Cannabis und Drogenpolitik:
27.09.2003 Köln: Hanf-Demonstration
Unsere Ankündigungen sowie Links finden Sie bei unseren Terminen:
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